Nebular Sammelband XL 1 - Aufbruch der Menschheit (Episode 1-30 - "Die Große Erschütterung")
Scherze treiben, sondern es als lebendige Kraft verstehen und akzeptieren.«
»Ich wollte nur eure Mythen besser verstehen, nicht euren Glauben infrage stellen«, erklärte Herimos sanft und deutete zu den Türmen. »Was hat es mit den Türmen auf sich? Sind sie ein Bestandteil des alten Götterglaubens? Vielleicht Gebetstürme?«
Ramir legte beide Hände übereinander und deutete damit eine Verneinung an.
»Es sind Teile einer Empfangsstation, im Grunde leistungsstarke Antennen, mit denen die Priester der Synthia in ferner Vergangenheit die Gesänge von Nebular empfangen wollten. Es war ihr bestreben, ihrer Göttin dadurch ein Stück näher zu sein. Es ist ihnen jedoch niemals gelungen. Zumindest gibt es darüber keine Aufzeichnungen.«
Herimos zeigte seine Zähne. »Was mich nicht sonderlich überrascht. Gehen wir hinein. Ich hoffe, wir finden einen Hinweis oder besser noch, die Jamal-Spange selbst.«
»Wenn Du erwartest, das Schmuckstück in dem alten Tempel zu finden, dann sei nicht enttäuscht«, versuchte Ramir zu beschwichtigen. »Wie ich dir schon sagte mein Freund, jeder Progonaut kennt das Schmuckstück des Herrschers. Wäre die Spange im Tempel der Synthia, wir wüssten es.«
Herimos trieb den jungen Chot an. »Komm jetzt, lass uns das Gebäude untersuchen.«
Ihr Weg führte über eine sanft ansteigende marmorierte Rampe hinauf. Goldene Schriftzeichen waren in den polierten Stein eingelassen. Ebenso verzierte übergroße Skulpturen progonautischer Kämpfer trugen die Hauptlast des Tempelportals auf ihren Schultern und bildeten so die Stütze des Eingangs. Herimos schätzte diese Steinskulpturen auf über zehn Meter Höhe. Während eine Hand der Skulpturen einen großen Querstein stützte, der über ihren Schultern lag, hielt der andere Arm ein großes rundes Schild.
»Das sind Schildträger«, erkannte Herimos spontan und deutete auf die beiden Figuren.
»Ich bin erstaunt, wie detailliert Du dich über die progonautische Kultur informiert hast«, gab Ramir zu und warf Herimos einen misstrauischen Seitenblick zu. »Das waren Jura und Sana, eineiige Zwillinge und Schildträger des frühen Herrscherpaares Daliminos. Er teilte die Herrschaft über India mit seiner Frau Nofra und zwar zu gleichen Teilen.«
»Zwei Herrscher, also auch zwei Schildträger«, stellte Herimos fest. »In welchem Zusammenhang stehen diese Schildträger, der Herrscher und der Götterglaube an die Synthia?«
Ramir schien kurz zu überlegen.
»Daliminos hat den Tempel auf Wunsch seiner Frau errichten lassen. Es hieß, sie wäre dem Kult der Synthia verfallen.«
»Offenbar eine glückliche Verbindung«, sprach Herimos seine Gedanken aus.
»Nicht wirklich«, entgegnete Ramir bedrückt. »Die Gewaltenteilung funktionierte nicht und so trachtete jeder von ihnen, Herrscher und Herrscherin, nach der absoluten Macht. Es folgte eine ungezählte Anzahl von Attentatsversuchen, Anschlägen und Intrigen, mit denen jeder versuchte, die Macht an sich zu reißen. Es waren aber immer die Schildträger der jeweils anderen Seite, welche die Mordversuche verhinderten.«
Herimos knurrte leise.
»Wie ging die Geschichte aus? War einer von beiden schließlich erfolgreich?«
»Nein, es lief auf ein Gleichgewicht hinaus und noch immer waren beide Herrscher, die nunmehr India unter sich aufgeteilt hatten, unzufrieden«, bedauerte Ramir. »Am Ende ließen Sie ihre Schildträger gegeneinander kämpfen. Der Gewinner sollte seinem Herrn die ganze Macht bescheren, doch der Kampf hatte einen Haken.«
»Welchen?«, wollte Herimos wissen, während er mit Ramir den Tempel betrat.
»Der Kampf zwischen den Schildträgern ging bis zum bitteren Ende. Es war ein Kampf um Leben und Tod. Jedoch sollte der siegreiche Schildträger nicht nur seinen Gegner töten, sondern auch den Herrn des Unterlegenen. So kam es, das Nofra diesen Kampf überlebte und lange Zeit über India herrschte. Nach unseren Aufzeichnungen war es Nofra, der die Jamal-Spange übergeben wurde, um sie zu verwahren. Seither wurde das Schmuckstück von Herrscher zu Herrscher weitergegeben, bis in die Gegenwart.«
»Also ein geschichtsträchtiger Ort«, brummte Herimos. »Wäre ich an Schanthiers Stelle gewesen, ich würde diesen Tempel als Versteck gewählt haben.«
»Bevor wir dort hineingehen, schuldest Du mir noch eine Erklärung«, beharrte Ramir.
Herimos blickte überrascht auf.
»Und die wäre?«
»Wie schaffst Du es, dass uns alle Progonauten auf meiner Welt aus ihrer Wahrnehmung
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