Necromancer - The Death of the Necromancer
die Duchess nicht allein durch den Korridor. Sie war in Begleitung eines großgewachsenen Dieners und einer jüngeren Frau, in der Madeline eine Nichte erkannte. Die Duchess trat in einen Salon, und die anderen taten es ihr gleich. Madeline schlenderte vorbei, scheinbar ohne sie zu beachten. Stattdessen hielt sie den Blick starr geradeaus gerichtet, als würde sie jemanden erwarten.
Kaum hatte sie die nächste Tür erreicht, öffnete sie sie ohne lange Umstände, innerlich darauf gefasst, sich sogleich
verlegen zu entschuldigen, falls sich jemand in dem Zimmer befand.
Es war leer, doch im Kamin brannte ein Feuer, und man hatte einen Ofenschirm davor platziert, um die darum gruppierten Sofas und Sessel zu schützen. Diese warteten offenbar auf Ballgäste, die sich zu einem privaten Gespräch zurückziehen wollten oder andere Vergnügungen suchten. Made line zog die Tür sorgfältig hinter sich zu und schloss ab. Alle Räume auf dieser Seite des Korridors gehörten zu einer langen Suite von Salons, die über Flügeltüren miteinander verbunden waren.
Diese waren aus leichtem Holz und konnten weit geöffnet werden, um Platz für große Abendgesellschaften zu schaffen. Madeline kniete sich neben die Tür zu dem angrenzenden Salon, den die Duchess betreten hatte. Ihr ausladender Rock raschelte leise, als sie mit äußerster Vorsicht den Riegel zurückschob.
Sie achtete darauf, nicht gegen die Tür zu drücken und sie nur ein kleines Stück weit nach außen gleiten zu lassen. Durch den Spalt erkannte sie einen Teppich, das Tulpenmuster einer Tapete und eine geschnitzte Wandtäfelung.
Die Duchess bemerkte gerade: »Eine ziemlich ungewöhnliche Bitte.«
»Auch mein Beruf ist ungewöhnlich.« Das musste der merkwürdige Mann sein. Madeline verzog widerwillig das Gesicht, als sie seine Stimme hörte. Sie hatte etwas Zweideutiges und Anzügliches an sich und erinnerte an einen Schlepper vor einer Tausend-Schleier-Peepshow. Kein Wunder, dass die Hausherrin ihre Nichte und einen Diener als Begleitung mitgenommen hatte.
»Anscheinend halten Sie mich für sehr unbedarft«, fuhr
die Duchess fort, »aber ich kann Ihnen versichern, dass ich durchaus Erfahrung im Umgang mit Spiritisten habe. Und keiner von ihnen hat nach einer Locke des Dahingeschiedenen verlangt, um die Verbindung herzustellen.«
Enttäuschung stieg in Madeline hoch. Spiritismus und Unterhaltungen mit Toten, die noch vor einigen Jahren im Geruch der Nekromantie gestanden hatten, waren bei den Reichen und Adeligen gerade der letzte Schrei. Auf jeden Fall war das die Erklärung für das seltsame Gebaren des Mannes.
Soeben wollte sie sich vorsichtig von der Tür entfernen, als der Spiritist in scharfem Ton antwortete: »Ich bin kein gewöhnliches Medium, Eure Hoheit. Was ich biete, ist ein Kontakt von größerer Nähe und Dauer. Doch um diesen Kontakt zu ermöglichen, benötige ich etwas von der Leiche des Verstorbenen. Zum Beispiel so was wie eine Haarlocke.«
Apropos Nekromantie . Madeline hatte sich in ihrer Jugend mit Magie befasst, als sich ihre Familie noch Hoffnungen machte, dass sie vielleicht ein gewisses Talent dafür besaß. Sie war keine besonders gute Schülerin gewesen, aber irgendwas an dieser Sache ließ sie jetzt aufhorchen.
»Sie wollen also eine Haarlocke und Ihr Honorar.« In der Stimme der Duchess schwang Verachtung mit.
»Ganz genau«, antwortete der Spiritist, aber es war nicht zu überhören, dass das Honorar eher nebensächlich für ihn war.
»Tante, das ist doch lächerlich. Schick den Mann weg.« Die Nichte hatte anscheinend genug von der Angelegenheit.
»Nein.« Zögernd fuhr die Duchess fort, und ihre Stimme wurde lebhafter. »Wenn Sie wirklich zu dem imstande sind,
was Sie behaupten … dann wird ein Versuch nicht schaden …«
Da wäre ich mir nicht so sicher. Made line konnte sich selbst nicht so recht erklären, woher ihr mulmiges Gefühl rührte.
»In der Tat besitze ich eine Locke von meinem Sohn. Er ist in der parsischen Kolonie Sambra ums Leben gekommen. Wenn Sie mit ihm in Verbindung treten …«
»Ihr Sohn, nicht Ihr Gatte?« Deutlicher Unmut lag in der Stimme des Spiritisten.
»Was spielt das für eine Rolle, mit wem ich in Verbindung treten will, solange sie Ihr Honorar erhalten?« Die Duchess klang pikiert. »Wenn Sie wünschen, kann ich es auch verdoppeln. Ich gelte nicht als geizig.«
»Aber es wäre doch sicher angemessener, zuerst einen Kontakt zu Ihrem Gatten zu schaffen.« Der Mann gab sich nun sichtlich
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