Necroscope 8: BLUTFÜRSTEN (German Edition)
Der Schwarze Boris zumindest war mit seinem Schicksal durchaus zufrieden.
Im Großen Pass hingegen ...
... landeten Lord Ohneschlaf und Devetaki Schädellarve und verbargen ihre Flugrochen. Lautlos wie Schatten suchten sie sich einen Aussichtspunkt, um mit anzusehen, wie Lord Wamus die Feste überfiel, die den Zugang zur Schlucht bewachte.
Gleichzeitig fiel etwa fünfundzwanzig Kilometer östlich des Passes ein wahrer Schwarm an Vampiren über die Überreste von Wrathas völlig überraschten Szgany-Stämmen her. Wahllos plünderten und vergewaltigten sie, fraßen sich satt und trieben das Futter zusammen, das sie durch den kommenden Tag und die ihnen bevorstehenden blutigen Nächte bringen sollte. Denn zu guter Letzt war der Krieger-Lord zu dem Schluss gekommen, dass es ihm so gut wie nichts einbrachte, diese jämmerlichen Tributanten zu verschonen. Und da Vormulac seine Streitmacht ohnehin versorgen musste, geschah dies am besten auf Wrathas Kosten. Mehr noch, Lord Ohneschlaf gefiel der Gedanke, dass er, indem er diese Leute umbrachte und verzehren ließ, innerhalb kürzester Zeit zunichte machte, wofür Wratha lang und hart gearbeitet haben musste. Letztlich war es also nur logisch, dieses Gemetzel anzurichten. Für einen Wamphyri jedenfalls! Außerdem verschaffte es ihm ... Genugtuung?
Und was nun Wratha anging: In ebendiesem Moment war die Lady ebenfalls dabei, ein paar Entscheidungen zu treffen ...
Mit Ausnahme von Canker Canisohn hatten sich alle Lords der Wrathhöhe hoch oben bei Wratha zum Kriegsrat eingefunden. Gorvi meckerte zwar (in Gorvisumpf fühlte er sich weitaus sicherer; dort hatte er zusätzliche geheime persönliche Vorsichtsmaßnamen gegen Eindringlinge getroffen), und die Gebrüder Todesblick wirkten reichlich betreten. Es war ihnen unangenehm, denn wegen Spiros »überlegenem Talent« hatten sie sich einander entfremdet; und Lord Nestor Leichenscheu war wie stets düster und in sich gekehrt. Ja, der Nekromant war mittlerweile so sehr von dem Gedanken an den Tod besessen, dass er sich nur noch in Leichengewänder hüllte, sodass selbst seine Augen kaum noch zu erkennen waren! Offensichtlich hatte seine Kunst ihm nun endgültig den Verstand geraubt. So jedenfalls sah Wratha die Sache!
Und obwohl die Wrathhöhe einen ersten Erfolg in dem Krieg gegen Turgosheim zu verzeichnen hatte – nämlich die Schlappe, die sie Lord Kahlkopf und dessen Trupp zugefügt hatten –, war es für Wratha doch offenkundig, dass sie sich hier nur halbherzig, wenn nicht gar mutlos zusammenfanden. Nun, wo Canker und seine haarsträubenden Absonderlichkeiten fehlten, schien ihnen auch der Zusammenhalt abhandengekommen zu sein. Sie zankten noch nicht einmal mehr miteinander.
Mit einer flüchtigen Bewegung ihrer schlanken Hand hieß sie sie willkommen, bedeutete ihnen, Platz zu nehmen, und erkundigte sich, bei niemandem im Besonderen: »Und der Hunde-Lord?«
»Ausgeflogen«, antwortete Nestor mit leiser Stimme. »Von einem Fenster meines Ruhegemaches aus sah ich Canker, wie er mit seiner Mondgeliebten in südsüdwestlicher Richtung auf die Berge zuhielt. Wahrscheinlich wollte er zum Großen Pass.«
Wratha nickte. »Nun gut«, meinte sie barsch. »Beten wir darum, dass Canker seine Leutnante noch nicht mit seinen Flausen angesteckt hat. Meine Lords, falls es eurer Aufmerksamkeit entgangen ist, wir haben einen Felsenturm abzusichern, den wir gegen Vormulacs Horden verteidigen müssen!«
»Warum gleich so heftig?«, erwiderte Gorvi in scharfem Ton, gar nicht mehr so einschmeichelnd wie sonst. » Wir sind schließlich hier, Canker ist derjenige, der fehlt!«
Jeder, Nestor ausgenommen, warf dem anderen wütende Blicke zu. Nur der Nekromant sagte auf seine ruhige Art: »Die Zeit läuft uns davon!«, und fügte achselzuckend hinzu: »Wenn Canker zurückkehrt, dann ist er eben wieder da, und falls nicht, dann eben nicht. Was für einen Unterschied macht es schon? Seine Männer sind allesamt tüchtige Kämpfer.«
Abermals neigte Wratha den Kopf und stieß mit einem Seufzen den Atem aus. »Na gut, fangen wir an! Canker hatte ich ohnehin keine besondere Rolle zugedacht. Jetzt seht ihr auch, weshalb ich ihm von vornherein die Räudenstatt zuteilte. Sie hat keine große Bedeutung, denn sie liegt in der Mitte und ist am einfachsten zu verteidigen!«
»Gut!« Spiro hieb mit der flachen Hand auf den Tisch. In seinem mürrischen Blick lag eine Glut wie von heißen Kohlen. »Können wir dann fortfahren? Was siehst du für mich
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