Necroscope 8: BLUTFÜRSTEN (German Edition)
schließlich ein heiseres Flüstern, das ihm einen Schauer über den Rücken jagte: Na gut, wenn dir dein Leben nichts mehr wert ist, dann suche nach mir! Ich freue mich schon darauf, dir gegenüberzustehen. Aber merke dir meinen Namen, damit du auch weißt, nach wem du fragen musst ...
... Ich heiße Vasagiiiii!
Vasagi! Dieser Name brannte sich dem Necroscopen ins Gedächtnis. Er würde ihn nie mehr vergessen. Bei sich dachte er: Vasagi, damit ist dein Schicksal besiegelt! Das schwöre ich ... Es war ein Versprechen.
Doch da der Necroscope nun einmal der Necroscope war, vernahmen auch die Toten seine Gedanken.
Alles zu seiner Zeit, ermahnte Nana ihn sanft. Zunächst aber, zu mir!
»Zu dir, Mutter?« Augenblicklich war sein Zorn verflogen, für den Moment jedenfalls.
Ja, mein Sohn. Ich mag zwar tot sein, aber wir müssen sichergehen, dass dies auch so bleibt. Du musst mich finden und Lardis übergeben. Er weiß, was zu tun ist.
Nathan stöhnte auf, alles schien sich um ihn zu drehen, doch dann fand er sich mit dem Unvermeidlichen ab. Er trat ein Stück zur Seite, weg von den anderen, beschwor ein Möbiustor herauf und folgte Nanas Stimme zu der Stelle, an der ihr verkrümmter Leichnam auf dem Waldboden lag. Und dann sah er sie. Hätte er nicht gewusst, dass sie es war, hätte er sie nicht wiedererkannt ...
Er brachte sie zurück zu Lardis, legte sie dem alten Lidesci in die Arme und ... brach unter dem glitzernden Sternenzelt ohnmächtig zusammen.
Ben Trask und Misha fingen ihn auf und ließen ihn behutsam auf einen der Zugschlitten sinken. »Gott sei Dank«, meinte Trask.
Als Misha ihn fragend ansah, erklärte er ihr: »Da, wo Nathan sich jetzt befindet, spürt er keinen Schmerz mehr und keine Trauer. Wenigstens eine Zeit lang.«
»Und Krieg gibt es da auch nicht«, brummte Lardis. »Wenigstens eine Zeit lang. Nicht, Ben Trask?«
Dieser schüttelte grimmig den Kopf. »Vorerst nicht. Aber wir sollten ihn trotzdem ein bisschen ruhen lassen. Denn der Krieg wird noch früh genug kommen, dessen kannst du gewiss sein!«
Lardis betrachtete das armselige, verschrumpelte Ding in seinen Armen und blickte dann auf den Mann auf dem Zugschlitten, dessen – im Augenblick zumindest – erschöpftes Gesicht mehr denn je Harry Keogh ähnelte. Anschließend senkte er den knorrigen Schädel zu einem Nicken. Oh ja, der Krieg würde kommen! Dessen war er gewiss.
TEIL SECHS: SCHLACHTFELDER!
ERSTES KAPITEL
Der Necroscope lag völlig erschöpft auf einem der Trageschlitten, auf dem sie ihm ein Bett bereitet hatten, und wurde ordentlich durchgeschüttelt. Sie hatten ein Fell über ihn gebreitet, um ihn vor der Kühle der Sonnseiten-Nacht zu schützen, und sein junges Weib Misha ging neben ihm her. Er schlief; diesmal jedoch nicht, weil er körperlich, sondern vielmehr gefühlsmäßig am Ende war. Zu guter Letzt war ihm doch alles zu viel geworden, und nun war sein Geist so leer, dass er nicht einmal mehr träumte. Er hatte einfach nicht mehr die Kraft dazu. Kein Traum, kein Gedanke, kein leises Wispern ... nichts störte ihn. Es war ein heilsamer Schlaf; er erholte sich von einer Wunde, die ihm bis in die Seele drang.
Die Große Mehrheit wusste selbstverständlich, was geschehen war, und schwieg. Die Toten spürten Nathans Trauer und hatten ihr Flüstern eingestellt. Nicht der leiseste Hauch hallte durch den übersinnlichen Äther, und zum ersten Mal seit Langem fand der Necroscope wirklich Frieden ...
... ganz im Gegensatz zum Rest der Sonn- und der Sternseite.
Auf der Findlingsebene bezogen Vormulacs Beobachtungsposten Stellung in vom Zahn der Zeit gezeichneten Grüften und Grabhügeln und den Trümmern eingestürzter Felsentürme, wo immer Mensch oder Bestie Schutz vor dem grausamen fahlen Licht des anbrechenden Tages finden mochten. Dabei spielte es keine Rolle, dass die Sonne niemals auf die Findlingsebene schien. Allein die Tatsache, dass der schreckliche Glutofen am Himmel stand, war bereits furchterregend genug. Wenn die Gipfel des Grenzgebirges sich golden färbten, bedeutete dies für die Kreaturen des Krieger-Lords das Zeichen, einen möglichst schattigen Ort aufzusuchen und sich, und sei es noch so unbequem, zum Schlaf niederzulegen. Sie waren nun einmal Vampire.
Weit entfernt, jenseits der scharfen Biegung des Passes, folgte der Schwarze Boris, begleitet von einem Trupp aus Leutnanten, Knechten und pulsierenden Kriegern, dem Grat des Gebirgszugs nach Osten, um in den Troghöhlen sein Lager aufzuschlagen.
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