Necroscope 8: BLUTFÜRSTEN (German Edition)
halte gerade so viele Bestien, um den Mindestbedarf zum Heizen, Kochen und für Licht zu decken. Wir sehen ohnehin gut genug, und es gibt auch andere Möglichkeiten, sich warm zu halten. Und Fleisch zu braten, um die Gier unserer Knechte zu stillen, war seit jeher bestenfalls ein Luxus!«
»Ich soll meine Bestien losmachen und sie einfach mit dem Wind davontreiben lassen?«
»Ihre Funktion besteht darin, Gas zu produzieren«, entgegnete Wratha. »Das ist alles, was sie tun, und wenn sie damit aufhören, sterben sie. Dir bleibt gar keine andere Wahl, als sie freizulassen ... oder wäre es dir lieber, Vormulac schickt uns ein Himmelfahrtskommando, das in ihren Pferchen Feuer legt? Ich sehe es schon vor mir, wie die Bestien in Flammen stehen und eine sich an der anderen entzündet und die Methankammern eine nach der anderen explodieren, bis alles mit einem gigantischen Knall hochgeht! Wie der letzte große Felsenturm der Wamphyri zu wanken beginnt wie ein Grashalm im Wind und schließlich in sich zusammenstürzt, sodass nichts als ein Stumpf übrig bleibt, genau wie bei den anderen Ruinen, die hier in Trümmern liegen!«
»Das ist zwar kein besonders schönes Bild, das du uns da zeichnest, meine Lady«, erscholl Nestors Stimme, düster und ruhig wie stets, »aber zweifellos wird es so kommen. Außerdem ist Lord Ohneschlaf nicht der Einzige, dessentwegen wir uns Sorgen machen sollten. Ich weiß nämlich, wie es damals passierte, und jetzt, in diesem Augenblick, ist der Kreis dabei, sich zu schließen. Die Ereignisse wiederholen sich ...«
»Was soll das heißen?«, fragte sie in schneidendem Tonfall.
Er kehrte an den Tisch zurück und setzte sich (müde, wie es Wratha vorkam). Sie folgte ihm mit den anderen und wartete darauf, dass er fortfuhr. »Ihr wisst, dass ich mit den Toten rede«, sagte er schließlich. »Und von ihnen und aus anderen Quellen habe ich einiges über die jüngste Geschichte dieses Ortes erfahren. Vor mehr als tausend Sonnaufs gab es einen Krieg ... allerdings nicht unter den Alten Wamphyri. Nein, denn ausnahmsweise hatten sie sich einmal gegen einen gemeinsamen Feind zusammengeschlossen. Gegen einen furchtbaren Gegner, aye, einen Zauberer von der Sonnseite! Er war es, der die Felsentürme einen nach dem anderen zum Einsturz brachte und ihre Trümmer über die Findlingsebene verstreute.«
»Was?« Gorvis Augen hatten sich zu Schlitzen verengt. »Willst du damit sagen, es war ein gewöhnlicher Mensch, ein Mann von der Sonnseite, ein Szgany? Ein Mensch hat all das getan? Wie denn?«
»Ein Mann«, nickte Nestor, »aye, oder auch mehrere. Aber gewöhnlich? Mitnichten! Sagte ich nicht, dass sie Zauberer waren? Und wie sie es angefangen haben? Sie ließen die Sonne auf die Sternseite scheinen und lenkten ihre Strahlen in die Methankammern der großen Felsentürme und in die Pferche der Gasbestien ...« Als er sah, wie verwirrt Wratha dreinblickte, stockte er.
»Vor tausend Sonnaufs?«, fragte sie. »Aber ... was hat das mit uns zu tun? Und was meinst du damit: Der Kreis schließt sich?«
»Jener Zauberer hatte Söhne«, erklärte Nestor, »und seine Macht ging auf einen von ihnen über, ungefähr so, wie Spiro den bösen Blick seines Vaters erbte.«
»Und?«, forderte sie ihn auf weiterzureden.
»Dieser Sohn ist noch am Leben!« Abrupt wandte Nestor sich ihr zu und musterte sie aus den Schlitzen seiner Maske. »Du hast ihn sogar gesehen , Lady, oben auf dem Zufluchtsfelsen! Und du hast ihn in den Abgrund gestoßen. Eigentlich müsste er also tot sein. Aber nein, im Gegenteil, er ist quicklebendig, drüben auf der Sonnseite. Eine Zeit lang war er ... weg, verschwunden – wohin auch immer so ein Zauberer verschwinden mag, frag mich nicht, wo! Aber nun ist er wieder da und äußerst gefährlich!«
Sekundenlang starrte sie ihn nur mit offenem Mund an, dann schüttelte sie langsam den Kopf. »Mir scheint, deine Leichen haben dich belogen oder dir irgendwelche Märchen erzählt. Kein Mensch hat Macht über die Sonne, Nestor. Es mag ja sein, dass irgendein Körnchen Wahrheit daran ist ... wer weiß das schon? Vielleicht ließen sie ja eine Armee in den Bergen aufmarschieren – Männer mit Spiegeln oder auch Waffen, denen vergleichbar, die die Lidescis benutzen – und sprengten die Felsentürme mithilfe des reflektierten Sonnenlichts. Aber selbst das scheint mir doch recht weit hergeholt.«
Nestor zuckte die Achseln. »Nun, ich habe dich gewarnt. Und noch etwas, das dürfte Wran vielleicht
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