Necroscope 8: BLUTFÜRSTEN (German Edition)
und die Meinen vor?«
Wratha hob eine Augenbraue. »Du kannst es wohl kaum noch erwarten, was?«
»Ich habe den bösen Blick meines Vaters geerbt«, entgegnete Spiro, »und kann geradezu spüren, wie seine Macht immer mehr wächst! Es wird Zeit, dass ich ihn endlich einmal richtig erprobe!« Er schien um mehrere Zentimeter gewachsen und trug eine schmuddelige Augenklappe über dem rechten Auge. Die Wange darunter war grün und blau und schillerte purpurn. Sein linkes Auge war geschwollen und verfärbt, ein von roten Adern durchzogener, hasserfüllter gelber Fleck.
Wratha starrte ihn eine Zeit lang an. Dann meinte sie: »Den Blick deines Vaters, Spiro? Das will mir scheinen! Gut, dann solltest du ihn auch mit der größtmöglichen Wirkung einsetzen! Wo immer die Verteidigung deiner Stätte am schwächsten ist, musst du zur Stelle sein. Und wenn die Angreifer kommen, lass sie die volle Kraft deines sengenden Blickes spüren! Hol sie aus ihren Sätteln – lass ihre Herzen zerplatzen und vernichte sie mit einem Lidschlag, noch bevor sie überhaupt daran denken können zu landen!«
»Leider«, ergriff Wran nun das Wort, dabei lächelte er sarkastisch und zupfte an seiner Warze, »verfüge ich nicht über derlei Gaben, sondern wüte lediglich ein bisschen. Würdest du auch mir mitteilen, was ich zu tun habe, Gnädigste?«
Sie neigte brüsk das Haupt. »Deine Aufgabe besteht darin, deinen Truppen Mut zu machen! Zeige ihnen, dass deine irrsinnige Raserei durchaus ein Ziel hat und sich gegen Feinde richtet, die dem Wüten Wrans des Rasenden nichts entgegenzusetzen haben!«
Ihre Worte ließen seine Brust schwellen. Doch schon im nächsten Moment machte er ein düsteres Gesicht und wollte von ihr wissen: »Ist das alles? Hast du uns hierherkommen lassen, um uns das Offensichtliche mitzuteilen und uns mit dem zu beauftragen, was uns zur zweiten Natur geworden ist? Falls ja, ist dies in meinen Augen die reine Zeitverschwendung!«
Nun war es an Wratha, eine missmutige Miene aufzusetzen. »Ach, warum so gereizt, meine Lords? Sagt mir doch, habe ich bisher nicht stets das Richtige getan? Sind eure Stätten denn nicht angefüllt mit den Köstlichkeiten der Sonnseite, um Vormulacs Belagerung standzuhalten? Oder was? Und hört nur ...« Sie legte eine schlanke Hand an das muschelgleiche Ohr. »Ist dies der Wind, den ich da höre, oder der Geist von Zack Kahlkopf dem Lachenden? Wer hat das wohl zustande gebracht – ihr oder ich?«
»Willst du dir die Katastrophe am Zufluchtsfelsen etwa auch als Verdienst anrechnen?«, knurrte Wran. »Und vergiss nicht: Zack Kahlkopf war nur einer von Vormulacs Generälen! Was, wenn er zehn geschickt hätte? Lass dir eines gesagt sein, Lady: Wir haben lediglich Glück gehabt!«
Noch ehe Wratha etwas darauf erwidern konnte, seufzte Nestor hinter den Schleiern, die ihn verhüllten: »Meine Lords, die Lady ... Haben wir wirklich noch Zeit für derartige Spiegelfechtereien und dieses ewige Herumnörgeln?«
Wratha warf ihm einen wütenden Blick zu, dann fauchte sie Wran an: »Natürlich habe ich auch noch andere Aufgaben für dich! Aber seit ihr bleich und zitternd hier ankamt, habe ich nichts anderes im Sinn, als euren müden Kampfgeist zu heben ...«
Wran klappte der Kiefer nach unten. Er schob seinen Sessel zurück und machte Anstalten, aufzuspringen.
»Ach, ich meine doch nicht nur dich!« Damit breitete Wratha die Arme aus. »Sondern euch alle! Seht euch doch an! Völlig mutlos und niedergeschlagen, wo ihr doch eigentlich für den Krieg gerüstet sein solltet! Gorvi, dem sogenannten Gerissenen, steht der kalte Schweiß auf der Stirn, und was er einst an List und Tücke besaß, glänzt durch Abwesenheit. Stattdessen packt ihn jetzt die Panik. Spiro Todesblick kann es kaum noch abwarten, in den Krieg zu ziehen. Aber im Übereifer handelt man leicht verantwortungslos und begeht Fehler, die tödlich enden können! Und Nestor Leichenscheu! Nicht minder kalt und schweigsam als seine geliebten Toten! Was für ein armseliger Haufen! Ihr drei ... – Wran, Spiro, Gorvi! Ist das noch dieselbe Schar Abtrünniger, die ich damals aus Turgosheim wegführte? Oh ja, ohne jeden Zweifel – aber ihr seid fett und faul geworden. Was wir jetzt brauchen, ist der Geist, den ihr damals an den Tag legtet! Was denn? Damals hatte Vormulac jeden nur erdenklichen Vorteil auf seiner Seite, heute hingegen ist er uns lediglich zahlenmäßig überlegen. Wir sind doch diejenigen, die in einer nahezu uneinnehmbaren Festung
Weitere Kostenlose Bücher