Necroscope 8: BLUTFÜRSTEN (German Edition)

Bestie hielt ihm noch immer die Treue! Als Vasagi nach ihm rief, brach dieser Flieger aus seinem Pferch aus und flog eilends zu ihm. Nun verfügten sowohl Vasagi als auch seine Lady über Bestien, mit denen sie auf die Sonnseite reiten und wie in alten Zeiten über die Szgany herfallen konnten.
    Das bringt uns in die Gegenwart ...
    Unterdessen war Vasagis Lady mit dem Füttern der Flieger fertig geworden und gesellte sich zu ihrem Lord, der neben dem gebrochenen, übel zugerichteten Wran saß. Sie trug mehrere Stücke dünner, tief einschneidender, aus Kursgras gewonnener, nahezu unzerreißbarer Szgany-Schnur mit sich. Eins davon war zu einer Schlinge geknüpft, die sie Wran um den Hals legte. Das andere Ende schlang sie um eine Felsnase, bis es fest saß. Wran war vor Schmerz ganz übel. Er war so schwach, dass er nichts tun konnte, außer zuzusehen, wie sie seine Füße mit einer weiteren Schnur zusammenband und diese ... am Sattel von Vasagis Flugrochen befestigte?
    Es gab eine Zeit, fuhr Vasagi nach einer Weile fort, da machten die Lords – und auch die Lady – der Wrathhöhe sich über Vasagi lustig. Sie nannten ihn eine Missgeburt, weil sein Gesicht und seine »Stimme«, seine elegante, gewandte Art, sich auszudrücken, sich so grundlegend von dem unterschied, was sie gewohnt waren. Und am lautesten lachte Wran. Wie gesagt, Wran war derjenige, der Vasagi so grässlich entstellte und ihm anstelle eines Gesichts lediglich ein Loch ließ! Eine Missgeburt hatten sie ihn genannt! Aber Vasagi hatte noch nie etwas auf Äußerlichkeiten gegeben. Bei Kreaturen, die ihr Aussehen mit Leichtigkeit zu ändern vermochten, dünkte ihm dies eine unnütze Eitelkeit. Darum entschloss er sich dazu, nun wirklich zu einer Missgeburt zu werden. Und niemand versteht sich besser auf die Wandlungskunst als Vasagi!
    Er richtete sich auf. Hoch erhobenen Hauptes stand er da und blickte auf Wran hinab. Dies ist meine Geschichte, und sie ist wahr. Ich bin der lebende Beweis dafür. Seit Langem erschaffen die Wamphyri Kreaturen nach ihrem Bild; aber ich, Vasagi, bin einen Schritt weiter gegangen und habe mich selbst nach dem Abbild einer meiner Kreaturen neu erschaffen. Siehe, ich bin Vasagi von den Wamphyri – nun Lord Vasagi der Klaffende!
    Erst schlug er seinen Umhang auf – und dann seinen Leib!
    Angesichts dieser Enthüllung vergaß Wran um ein Haar seine Schmerzen. Das Unglaubliche daran war nicht etwa, dass er Vasagi vor sich hatte – dies war ihm bereits bewusst –, sondern die Grenzenlosigkeit der Wandlungskunst der Wamphyri, die hier tatsächlich an ihre Grenzen getrieben wurde. Als Wran Vasagi erblickte, wurde ihm klar, dass er es nicht nur mit dem uneingeschränkten Meister der Wandlungskunst zu tun hatte, sondern auch dass dieser die Grenze zum Wahnsinn längst überschritten hatte. Und da Wran ebenso klar war, dass er mit einem Wahnsinnigen nicht vernünftig zu reden vermochte, ließ er es eben bleiben und lag einfach nur da, mit ehrfürchtig geöffneten Kiefern und weit aufgerissenen, ungläubigen Augen reglos zum Himmel starrend.
    Vasagi hatte sich, seiner eigenen Aussage gemäß, nach dem Abbild einer seiner Kreaturen neu erschaffen. Nun wusste Wran, was er damit meinte. Einst (es schien eine Ewigkeit her zu sein) war er mit Spiro, dem Hunde-Lord Canker Canisohn und Nestor Leichenscheu in die Saugspitze hinabgestiegen und war an der Treppe einem von Vasagis Wächtern begegnet. Und Vasagi ... sah genauso aus.
    Unter der Kapuze, die nun zurückgeworfen war, hatte Vasagi zwar Augen, aber der Rest seines Gesichts fehlte. Unter einem glänzend schwarzen, völlig flachen, anstelle von Nasenlöchern lediglich mit zwei Schlitzen versehenen Nasenwulst ging ein aus kräftigen Muskeln bestehender, säulenartiger Hals geradewegs in den Brustkorb über. In dessen Mitte zog sich zwischen den Brustwarzen senkrecht bis zur Leiste hinab, die nur noch den Ansatz für die Beine bildete, aber keine Genitalien mehr beherbergte, ein gewaltiges Paar ledriger Lippen, die sich wie eine Tür öffneten und den Blick auf Vasagis pulsierende Innereien freigaben! Am Rücken waren seine Rippen, von Muskeln bedeckt, wohl mit der Wirbelsäule verbunden, vorn jedoch bildeten sie gezackte, nach Wran schnappende Zähne aus, die vor Geifer troffen!
    Ahhh!, machte das Ungeheuer. Jetzt könnte ich dir dein Gesicht abreißen – oder dich zur Gänze auffressen. Aber das werde ich nicht tun. Wieso auch, wo sich unter dem Schwanz meines Flugrochens doch