Necroscope 8: BLUTFÜRSTEN (German Edition)
und sich um die Krumen streiten, die sie ihnen vorwarf.
Nun, in der fünfzehnten Stunde der Nacht (selbst die jungfräuliche Dame war überrascht über das Ausmaß ihres Erfolges und darüber, wie schnell alles vonstattenging), zog sie ihre Kräfte aus den eingenommenen, geplünderten Stätten zurück und konzentrierte sie auf die Wrathspitze. Nur einen einzigen Fluchtweg zum Dach ließ sie offen und hieß ihre Truppen Abstand von einem gewissen Mauertürmchen halten, in dem, wie sie sich hatte sagen lassen, ein einsamer Flieger gezäumt und gesattelt zur Flucht bereitstand. Während aus den Fenstern der Wrathspitze Flammen schlugen, hin und wieder auch ein schreiender Knecht flog, und dichter, schwarzer Rauch aus allen Öffnungen quoll, ging Devetaki ebendort nieder, bezog, indem sie Alexei Yefros der Obhut ihrer Leibwächter überließ, in der Nähe von Wrathas Flugrochen, vor Sicht geschützt, Stellung und wartete. Zu guter Letzt erschien Wratha.
Keuchend hastete sie durch das Gewühl der Schlacht, so sehr in Eile, dass sie sich nicht ein einziges Mal fragte, weshalb niemand sie erkannte oder den Versuch unternahm, sie aufzuhalten. Natürlich wurde sie erkannt, aber Devetakis Befehl lautete einfach und unmissverständlich: Wratha der Auferstandenen darf nichts geschehen! Sie gehört mir! Und dies war nun der Fall!
Als Wratha den Mauerturm betrat, sah sie ihren Flieger lang gestreckt vor sich liegen. Blut schoss ihm aus der Kehle, die bis zum Rückgrat hin aufgeschlitzt war. Gurgelnd wälzte er sich kraftlos hin und her. Mit ihm ging es eindeutig zu Ende. Daneben erblickte sie Devetaki. Wratha trug ihren fleischverklebten Handschuh mit Lederriemen am Arm befestigt. Doch schon im nächsten Augenblick hielten sie zwei von Devetakis kräftigsten Leutnanten rechts und links fest, und ein dritter Mann hinter ihr drückte ihr einen spitzen Eisenholzpfahl ins Kreuz. Devetaki trat vor und nahm ihr mit einem raschen Handgriff den Kneblaschzerstäuber weg, den Wratha, wie sie wusste, unter ihrem Gewand verbarg. Derart wurde die Lady entwaffnet.
Obgleich damit all ihre Pläne zunichte waren und sich all ihre Hoffnungen in nichts auflösten, geriet Wratha zum ersten Mal in ihrem Leben nicht mehr in Rage. Die Glut des Blickes unter dem geschnitzten Knochenreif auf ihrer Stirn war erloschen und der Schimmer ihrer Haut, der Glanz der Jugend, der sie für gewöhnlich umgab, von ihr gewichen. Es mutete Devetaki seltsam an, dass eine Frau wie Wratha selbst angesichts einer solchen Niederlage so zurückhaltend (um nicht zu sagen: verschüchtert) wirkte. So viel sagte sie ihr auch. Wratha blickte sie an, als entsinne sie sich ihrer gemeinsamen Zeit in Turgosheim – und der Tatsache, dass sie dort einst Freundinnen gewesen waren ... nun ja, gewissermaßen, innerhalb gewisser Grenzen, versteht sich – und erwiderte leise:
»Ich sehe wohl ziemlich übel aus, was?« Sie zuckte die Achseln. »So ist das eben. Einmal ist man obenauf und am nächsten Tag schon wieder ganz unten.« Mit einem grimmigen, kalten Lächeln fügte sie hinzu: »Und dies ist eben ein schlechter Tag.«
»Stimmt«, sagte Devetaki, »und ich fürchte, es wird auch dein letzter sein!« Wie um sie aufzumuntern, legte sie ihr den von einer ledernen Rüstung geschützten Arm um die Schultern und ging mit ihr zum Rand des hohen Plateaudaches. Wratha wurde bleich. Ihre Schultern sackten herab, und mit einem Mal wirkte sie sehr zerbrechlich. Doch Devetaki ließ sich nicht täuschen (sofern eine Täuschung überhaupt beabsichtigt war), und ihre Männer hielten sich in ihrer Nähe.
Die Schlacht war so gut wie vorüber, und die Sieger schufen bereits wieder Ordnung. Devetaki wusste, dass sie sich nicht in Gefahr befand und Wratha ihr auf Gedeih und Verderb ausgeliefert war. Nun, wohl eher auf Verderb. Schließlich erreichten sie den offenen Mauerturm, der Wrathas silbernen Käfig beherbergte. Als Wratha klar wurde, wohin die jungfräuliche Dame sie gebracht hatte, zuckte sie zusammen und wollte zurückweichen. Doch Devetakis Männer packten sie, sperrten sie auf ein Nicken ihrer Gebieterin hin in den Käfig, verschlossen dessen Tür und machten Anstalten, sie in die Höhe zu hieven.
»Devetaki!«, rief Wratha aus. »Einst waren wir Freundinnen, du und ich, ich ... ich habe dich sogar bewundert und dir in allem nachgeeifert. Du bist mein großes Vorbild! Du hast doch gewonnen, du bist die Siegerin! Alles gehört jetzt dir!«
»Das ist wahr.« Devetaki setzte ihre
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