Necroscope 8: BLUTFÜRSTEN (German Edition)
sich schleuderte. Und mit ihm stürzte auch sein einstiger Gebieter – dem nun die Worte fehlten, weil er nur noch voller nichtssagender Gedanken war, und den seine Runen, Zeichen und Symbole verlassen hatten – zu Tode und verschmolz innerhalb eines einzigen Augenblicks mit all dem Unrat und war dem Vergessen anheim gegeben ...
Unterdessen suchte einige Tausend Kilometer westlich, am Sternseitentor, der Necroscope mit seinen Schützlingen einstweilen Zuflucht in einer flachen, von einem festen Erdrand und einem niedrigen Felswall umgebenen Senke. Die dürftige Deckung gewährte ihnen Schutz vor den Wurfwaffen der Wamphyri. Die Vampire mussten ins Freie treten, um zu zielen und ihre Bolas zu schleudern. Und wann immer sie dies taten, wurden sie entweder von Nathans Todesblick oder von Trasks Maschinenpistole niedergemäht. Allerdings gingen Trask langsam die Kugeln aus, und der einzige Vorteil von Nathans Waffe bestand darin, dass sie für endgültige Ergebnisse sorgte.
»Ist es das, was ich gespürt habe, als ich dich weckte?«, wollte Trask von ihm wissen.
Der Necroscope bedachte ihn mit einem flüchtigen, allerdings sorgsam verhohlenen Blick. Sein Gesicht schien vollkommen fremd. Mit einem Mal wirkte es vertrocknet und voller Hass, ein bösartiger Glanz schien davon auszugehen. »Ja. Bei mir war es rein instinktiv, nicht anders als bei Eygor Todesblick.«
Letzteres begriff Trask nicht ganz, darum erwiderte er nichts darauf. Zek hingegen konnte in Nathan lesen wie in einem offenen Buch. Als er sich in der Mulde neben sie duckte, drückte sie seinen Arm. Ihr war klar, wovor er Angst hatte – nämlich dass er zu schwach sein könnte, den Verlockungen des bösen Blicks zu widerstehen, dass er, nachdem er allem anderen in der Vampirwelt ein Leben lang Widerstand geleistet hatte, letztlich dem Einfluss des bösen Blicks erliegen könnte. »Dazu bist zu viel zu stark«, flüsterte sie ihm zu.
»Oh?«, knurrte er heiser, ohne sie anzusehen.
»Ja, denn du hast die Kraft deines Vaters geerbt.« Zek wusste, dass sie damit richtiglag. Schließlich hatte ihr Nathan, wie zuvor Harry, das Leben gerettet.
Der Hellseher Ian Goodly sah tatenlos zu (er hatte keine Waffe), sagte nichts und bemühte sich angestrengt, nicht an die Qualen zu denken, die ihm der Haken in seinem Oberschenkel bereitete. Hier konnte er nicht entfernt werden. Zek hatte die Wunde mit Streifen, die sie von ihrem Rock gerissen hatte, notdürftig verbunden. Erstaunlicherweise war es ihr gelungen, die Blutung weitgehend zu stoppen. Während David Chung dem Hellseher Trost zusprach, blieb diesem nichts anderes übrig, als die Zähne zusammenzubeißen und auf den großen Knall zu warten, der ihnen bevorstand. Ihm war schwindlig, und er fühlte sich schwach, doch mit einem Nicken stöhnte er:
»Diese Sache ... dieses wirklich große Ding ... es wird bald passieren!«
»Was?« Chung wollte seinen Ohren nicht trauen. »Soll das etwa heißen, dies hier ist es noch gar nicht?«
Der Mond war aufgegangen. Rund und silbern glitt er auf seiner asymmetrischen Bahn ein Stück weit über dem Horizont dahin, die Parodie eines Sonnaufs, der immer noch sechs oder sieben Stunden entfernt war. Doch für Nathan bedeutete er weit mehr, denn dieser merkwürdige Mond hielt eine Antwort bereit.
Sie saßen in der Falle zwischen den beiden Vampirabteilungen. So dicht am Tor wagte Nathan es nicht, sich des Möbiuskontinuums zu bedienen. Sollten sie einen Ausbruch versuchen, ganz gleich in welche Richtung, wären sie den heimtückischen, grausamen Waffen der Wamphyri preisgegeben. Allerdings kam dies wegen Goodly ohnehin nicht infrage. Dafür hatte der Necroscope nun Zeit, nachzudenken. Oder vielmehr, seine intuitiven mathematischen Fähigkeiten – sowohl die greifbare als auch die übersinnliche Welt betreffend – übernahmen dies für ihn.
Schon ... oft hatten ihm die merkwürdigen physikalischen Eigenschaften dieser Vampirwelt zu denken gegeben, in der einige der »Naturgesetze«, die er in Trasks Welt kennengelernt hatte, anscheinend nicht galten oder vielmehr von einer in grauer Vorzeit vom Himmel gefallenen »weißen Sonne« – dem ursprünglichen Tor, das nun am Grund eines Kraters begraben war – außer Kraft gesetzt worden waren. Er hatte die sonderbare Umlaufbahn dieser Welt einmal mit einer schlecht ausgewuchteten Bola verglichen, deren Kugeln statt durch eine Leine mit einer Eisenstange miteinander verbunden waren.
Die dazugehörigen mathematischen
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