Necroscope 8: BLUTFÜRSTEN (German Edition)
Sohn für dich?« Es war eine unglaubliche Ehre.
Ich wollte, du wärst mein Sohn. Als du hier warst und mit den Thyre gearbeitet hast, hatte ich den Eindruck, du seist es.
»Dann ... wirst du mich auch nicht verlieren«, versprach Nathan. Er hoffte nur, dass er auch in der Lage sein würde, Wort zu halten.
Doch bevor noch irgendetwas gesagt werden konnte, gab der Anführer der Höhlentaucher es auf, sich über Nathans Hang, mit toten Wesen zu sprechen, den Kopf zu zerbrechen.
»Nathan!«, unterbrach er ihn. »Da kommt jemand ...«
Nathan war sofort klar, woher. Die Höhle der Uralten hatte einen Ausgang zu einer steilen Klippe hin, von der eine ausgetretene, zerbröckelnde Sandsteintreppe hinab in eine Schlucht führte. Doch es gab auch einen Gang, der die Höhle mit einer Stätte-unter-den-Gelben-Klippen genannten Kolonie der Thyre verband. Aus Respekt für ihre Toten hielten die Thyre im Verborgenen Wache über deren Ruhestätten. Es musste ein Wächter sein, dessen Pflicht es war, die Uralten in ihrer Gruft zu beschützen.
Die Höhlentaucher verstummten, Nathan ebenfalls, als aus einem aus der Tiefe kommenden Schacht vorsichtige, leise Schritte erklangen. Im nächsten Moment erschien eine Gestalt in ihrem Blickfeld. Eine Frau. Sie hatte große limonengrüne Pupillen. In ihren olivfarbenen Augen lag ein gespannter Ausdruck. Sie blinzelte. Im Eingang der Kaverne blieb sie stehen, reglos, bereit zur Flucht. Auf Zehenspitzen beugte sie sich vor, hob das Kinn und sog prüfend den muffigen Geruch der Höhle ein. In ihren schlanken Händen hielt sie schussbereit einen Bogen, auf den ein langer Pfeil aufgelegt war. Sie sah die drei Höhlentaucher – und auch Nathan – nur einen Sekundenbruchteil, nachdem diese sie erblickten.
Bis auf einen roten Rock und ein Paar Sandalen war sie unbekleidet. Ihre kleinen birnenförmigen Brüste hingen locker herab. Ihre Ohren waren groß, Mund und Kinn dagegen klein, die Nase breit und flach mit geblähten Nüstern. Aufrecht stand sie da, bebend, wachsam. Ihre Haltung war anmutig, geradezu königlich. Und sie war jung.
Die Jugend stand ihr hell in den Augen, leuchtete in strahlender Klarheit unter dem hornigen Vorsprung ihrer Brauen hervor; sie lag im Glanz ihrer Glieder, deren Schimmer eine natürliche Folge der Körperöle der Thyre war. Ihre Haut war braun und faltenlos, und wie alle Thyre war sie schlank bis an die Grenze zur Ausgezehrtheit.
»Atwei!« Nathan erkannte sie sofort wieder und trat vor. Ihr blieb der Mund offen stehen, und ungläubig schüttelte sie den Kopf. Gleichzeitig spürte er, wie sie in seinem Geist danach tastete, ob er es auch wirklich war, und feststellte, dass sie sich nicht getäuscht hatte. Sie hatte es bereits seit einer Weile gewusst, aber kaum daran zu glauben gewagt. Und nun ... tat sie bebend einen Schritt auf ihn zu, hielt dann inne und blickte zu den Höhlentauchern.
»Freunde«, sagte Nathan.
Darauf ließ sie ihre Waffe sinken und flog ihm regelrecht in die Arme ... nur um im nächsten Moment wieder zurückzuweichen. Aufrecht, mit gesenktem Kopf, die Hände vor dem Körper gefaltet, stand sie da. »Das war unziemlich von mir«, sagte sie.
Nathan schloss sie dennoch erneut in die Arme. »Kleine Schwester!«
»Bruder!«, erwiderte sie. Dies war ein ebenso großes Kompliment wie dasjenige Rogeis, als er ihn seinen Sohn genannt hatte.
Doch Nathan hatte keine Zeit, und sie erkannte seinen inneren Aufruhr und die widersprüchlichen Gefühle, die sich in ihm jagten. Sein Volk stand jedoch an erster Stelle. Und ihm war auch klar, weshalb. Draußen in der offenen Wüste, auf der Sonn- und vor allem der Sternseite, herrschte nun Sonnunter.
»Kümmere dich um meine Freunde hier«, bat er Atwei, indem er sie losließ. »Und mach dir keine Sorgen, ich komme wieder, um sie zu holen.« Es war eine ziemlich magere Erklärung – reichlich dürftig, nachdem er beinahe zwei Jahre weg gewesen war –, doch für lange Erklärungen war im Augenblick keine Zeit. Es gab andere Dinge, die keinen Aufschub duldeten.
Er wählte einige Waffen für sich aus, beschwor ein Möbiustor herauf ... und hielt dann noch einmal inne und blickte Atwei an. »Meine Schwester«, sagte er. »Ich war an seltsamen Orten und habe Erstaunliches gelernt. Hab keine Angst ...«
Und vermittels seiner Willenskraft erklangen seine Worte auch in der Totensprache – die Rogei vernahm. Gib auf dich Acht, Necroscope!, erwiderte er.
Atwei bekam nichts davon mit, doch in Nathans Geist
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