Necroscope 8: BLUTFÜRSTEN (German Edition)
Vorschlag lautete folgendermaßen:
Falls Nathan einwilligte, ihn ins Leben zurückzurufen – und sei es auch nur lange genug, um Rache an seinen Söhnen zu üben –, dann konnte der Necroscope von ihm verlangen, wonach ihm beliebte, und er, Eygor, würde ihn in sein größtes Geheimnis einweihen und ihm den bösen Blick vermachen! So lautete Eygors Eid als Wamphyri, sein Versprechen für die Zukunft. Und Nathan hatte es zurückgewiesen!
Doch ... Eygor wusste, dass die Zukunft lange währte und ihre Pfade verschlungen waren, und was heute noch etwas gilt, ist morgen schon nichts mehr wert, und falls nicht morgen, dann doch gewiss übermorgen. Im Augenblick hatte Nathan keinen Bedarf an einem zusätzlichen Talent; er verfügte bereits über genügend eigene Fähigkeiten. Doch was war morgen und übermorgen ...?
Was im Leben Eygors Todesblick gewesen war, wurde im Tod sein Auge, mit dem er in die Ferne sah; und von da an verfolgte er Nathans Abenteuer, bis hin zu dem Zeitpunkt, an dem Nathan in seine alte Heimat im Westen floh. Danach jedoch ...
... Als Nathan das Tor passierte, hatte das Ding in der Grube einen kalten Hauch gespürt und dies für Nathans Ende gehalten. Wie eine ferne Kerze, die in der düsteren Nacht des Todes erlischt, war auch Nathans Licht erloschen. Das konnte nur eines bedeuten, nämlich dass der Necroscope nicht mehr war.
Doch die Zukunft währt (worauf Eygor selbst einst hingewiesen hatte) lange, und ihre Pfade sind verschlungen, und im Lauf der Zeit kehrt vieles wieder. Und in ebendem Moment, in dem Maglore bei seiner Inspektion der Irrenstatt innehielt und den Kopf hob, schnüffelte und spürte, dass Nathan zurückgekehrt war ... hatte auch Eygor es gespürt! Doch während Maglore den Namen vor sich hinflüsterte, vermochte Eygor in den Eingeweiden der Stätte ihn lediglich in der Totensprache zu denken: Nathaaan! Wie das Rauschen des Windes um die Zinnen einer Feste oder das Seufzen eines Gespenstes in einer Abfallgrube!
Denn Nathan war wieder da, in Eygors Geist. Weit entfernt, zugegeben, aber sein einzigartiges Licht leuchtete wieder wie zuvor, sodass Eygor ihn auf Anhieb erkannte. Und sofort entsann sich das Ding in der Grube seines fast vergessenen Wunsches, wieder in der Welt der Lebenden umzugehen, denn der Necroscope Nathan war seine einzige Hoffnung, jemals an seinen Blutsöhnen Wran und Spiro Rache zu nehmen.
Und als habe der Gedanke an seine Söhne Eygors totes Fleisch, und sei es nur vorübergehend, wieder zum Leben erweckt, erklang in der Grube ein Knarren wie von rostigen Türangeln, und noch ehe der Laut verklang und sich erneut eine unheimliche Stille über den Ort senkte, rieselte eine Staubfahne von der hohen spinnwebverhangenen Decke herab ...
Der Wamphyri-Lord Maglore von Runenstatt und der einstige Lord Eygor Todesblick waren nicht die Einzigen, die davon wussten, dass der Necroscope Nathan zurückgekehrt war. All den Toten der Sternseite war es gleichermaßen bekannt. Und auch die Toten der Sonnseite spürten die Aura, die von Nathan ausging, und sahen sein Licht in der bis dahin völligen Dunkelheit.
Aber es gab auch andere ganz besonderer Art, die von dem Augenblick an, in dem Nathan aus dem Einflussbereich des Tores auf die Findlingsebene trat, wussten, dass er wieder da war – seine Neffen, die Wölfe Blesse, Stutz und Grinser. Den Ersten und Klügsten von ihnen hatte er nach dem schrägen weißen Streifen benannt, der sich über seine Stirn zog, als sei das Fell dort von Frost gezeichnet. Stutz hatte nur noch einen Stummelschwanz, weil eine wütende Füchsin ihn in die Schranken gewiesen und ihm den Schwanz gekappt hatte, als er noch ein Welpe war. Grinser war der Reizbarste unter ihnen. Seine feuchten schwarzen Lefzen zuckten ständig, sodass es aussah, als wolle er ein Grinsen unterdrücken. Und jeder der drei wusste mit Gewissheit, dass Nathan wieder zurück war.
Als sie in ihrem Bau in den Grenzbergen erwachten, war ihnen – noch während sie gähnten und sich den Schlaf aus den dreieckigen gelben Augen blinzelten, weil sie auf ihre Art wussten, dass die Dämmerung eingesetzt hatte und bald der Mond am Himmel dahingleiten würde – einfach klar, dass Nathan zurückgekehrt war, und sie waren froh darüber. Zumindest so froh, wie Wölfe überhaupt sein können. Und auch andere von Nathans »Verwandten« wussten Bescheid ...
Aber am bedeutsamsten war vielleicht, dass die in ihren Höhlengräbern vor sich hin träumenden hochverehrten und zu Mumien
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