Necroscope 8: BLUTFÜRSTEN (German Edition)
nicht da lang.«
Er beschwor ein Tor herauf, zog sie mit sich und brachte sie an einen Ort, den er kannte. Es war ein flacher Kamm neben der Mündung des Großen Passes, von dem aus der Abstieg, um sich in Sicherheit zu bringen, leicht zu bewerkstelligen war. Lardis Lidesci hatte ihn einst hierher geführt, um sich den Sonnenaufgang über der letzten Felsenburg anzusehen. Indem er sie festhielt, damit sie nicht hinfiel, sagte er: »Hier dürftest du sicher sein. Wenn alles gut geht, komme ich zurück, um dich zu holen. Falls nicht ... nun, hinter diesem Pass liegt die Sonnseite.« Für mehr war im Augenblick keine Zeit.
Dann ging er wieder zurück, um Trask und Chung zu holen.
Enttäuscht strich der Flieger tief über die Felsgruppe hinweg, in der Nathans Gefährten Schutz gesucht hatten. Sie hielten ihre Waffen schussbereit, warteten, um Munition zu sparen, jedoch ab, was sich noch tun würde. Mit dem Ruf »Nicht schießen!« tauchte Nathan dicht neben ihrem felsigen Schlupfwinkel aus dem Möbiuskontinuum auf. Doch als er auf sie zusprintete, sah er, dass die beiden Vampirleutnante sich von der Seite her anschlichen.
Schlitternd kam Nathan zum Stehen und rief, mit dem Finger auf sie deutend: »Rechts von euch! Unten in der Senke!« Im nächsten Augenblick sprangen die Leutnante auf und hetzten in weiten Sätzen, Haken schlagend, auf die Felsgruppe zu.
Ein Schatten glitt über Nathan hinweg, der immer noch unschlüssig dastand ... gleich darauf ein zweiter. Gleichzeitig vernahm er einen Laut, der ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ: die wummernden Stoßdüsen eines Wamphyri-Kriegers! Er wusste nur zu gut, was das zu bedeuten hatte, und war wie erstarrt, zu keinem klaren Gedanken mehr fähig. Er fühlte sich in der Zeit zurückgetragen, zurückversetzt in jene Nacht damals in Siedeldorf, als Wrathas Abtrünnige den Ort überfielen und in Schutt und Asche legten.
Jene Nacht, in der sein Bruder Nestor von den Wamphyri gefangen genommen wurde, als Nathan Misha mit Canker Canisohn gesehen und geglaubt hatte, dass auch sie auf die Sternseite verschleppt worden sei. Jene Nacht, in der ein Krieger Nana Kiklus Haus in Trümmer legte, sodass ihr Sohn annehmen musste, dass auch seine Mutter ...
»Nathan – um Himmels willen!« Trasks Warnung riss ihn aus seinen Gedanken – oder gab sie ihm vielmehr wieder zurück; Trasks Ruf und das obszöne Geknatter automatischer Waffen. Nathans Blick wurde wieder klar. Er sah, wie die Vampirleutnante die Felsgruppe erreichten, sah sie mit übermenschlicher Kraft über die schützende Felsbarriere hechten ... und mitten in der Luft zum Stillstand kommen, sah, wie sie vom Kugelhagel zweier Läufe gestoppt und zurückgeschleudert wurden!
Die beiden Leutnante sanken in sich zusammen. Sie waren außer Gefecht, wenn auch nur vorübergehend. Nicht jedoch Gorvis niedrigere Helfer. Schrille Schreie ausstoßend, kamen sie aus dem Westen, nicht länger als bloße Späher, denn nun war die Jagd eröffnet! Trotz ihrer Größe weder plump noch unbeholfen, näherten sich die riesigen Fledermäuse der Gattung Desmodus in einem Zickzackkurs, und es schien, als handle es sich um einen ganzen Schwarm, obwohl es tatsächlich höchstens sechs waren. Sie waren jedoch so schnell und schwenkten ständig von einer Seite zu andern, dass es nahezu unmöglich war, auf eine von ihnen anzulegen.
Nathan hatte die übereinander getürmten Felsblöcke erreicht, zwischen denen Trask und Chung Deckung gesucht hatten. Wenn er sich jetzt noch zu ihnen zwängte, könnte es unter Umständen schwierig werden, in der drangvollen Enge ihres Zufluchtsortes ein Möbiustor heraufzubeschwören. Nein, er musste sie erst dort herausbekommen.
»Ben, David!«, rief er ihnen zu. »Raus da, zu mir! Kommt raus ins Freie!« Damit fummelte er hektisch an seiner Armbrust herum, um nachzuladen.
Dann, als zwei der Fledermäuse zwitschernd auf ihn hinabstießen, duckte er sich, sah zum Himmel auf und ... erhaschte einen Blick auf das, was er da oben vermutet hatte. Nur einen flüchtigen Blick, denn das Ding war noch sehr hoch oben, und hier unten am Boden geschah bereits mehr als genug, um Nathan auf Trab zu halten. Doch das Wummern der Stoßdüsen war lauter geworden, und die ersten schwachen Reminiszenzen an jenen albtraumhaften Gestank aus der Vergangenheit wurden ruchbar, senkten sich wie ein stinkender, fauliger Regen auf alles ringsum.
Für den Moment war Nathan zwar abgelenkt, doch zumindest gelang es ihm, nachzuladen. Als
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