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Nein! Ich geh nicht zum Seniorentreff! - Ironside, V: Nein! Ich geh nicht zum Seniorentreff! - The Virginia Monologues

Titel: Nein! Ich geh nicht zum Seniorentreff! - Ironside, V: Nein! Ich geh nicht zum Seniorentreff! - The Virginia Monologues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virginia Ironside
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einfach die Kraft, die V erschlüsse zu öffnen oder zu schließen. A ls mein Enkel achtzehn Monate alt war, schaffte ich es einfach nicht, den Klickverschluss seines Kindersitzgurts zu schließen. Ich musste mit einer Plastiktüte improvisieren, die ich am einen Ende des Sitzes festband. A n das andere Ende knotete ich den Finger eines Handschuhs, und das Ganze verband ich dann mit einem dieser Expander-Dinger, mit denen man sein Dachgepäck auf dem W agen befestigt. A m Ende sah der Kleine aus wie eins dieser verdächtigen, finsteren Gepäckstücke, die man manchmal auf den Gepäckkarussellen von Flughäfen kreiseln sieht und die dort schon seit Jahren zu kreiseln scheinen und sicher noch jahrelang kreiseln werden. Ich fuhr im Schneckentempo nach Hause, eine Hand am Steuer, die andere auf seinem Bauch, damit es ihm nicht etwa einfiel, durch die W indschutzscheibe zu fliegen.
    Ein andermal gelang es mir nicht, den Gurt bei der A nkunft wieder aufzukriegen. Nach zehn Minuten begann der A rme wie am Spieß zu schreien, und auch ich war in Tränen aufgelöst. A m Ende musste ich einen vorbeischlurfenden Hooligan im Kapuzensweatshirt bitten, meinen Enkelsohn zu befreien– was ihm natürlich innerhalb weniger Sekunden gelang.
    (Wenn man sich im Internet schlaumacht, findet man jede Menge Granny-freundlicher Produkte. Da gibt es zum Beispiel einen speziellen Hüftsitz, den man anlegen kann, um sein Enkelkind damit zu tragen, ohne dass einem das Kreuz abbricht. Es gibt extra einfach zu bedienende Reisebetten, Multifunktionsbuggys, einfache Kindersitze und Mitsing-CDs für längere Fahrten, darunter einige mit traditionellen Zählreimen und nicht dem ganzen amerikanischen Unsinn. Man kann eine Kniebank bestellen, um Baby leichter baden zu können, Nachttöpfchen, ja sogar einen Notfallkoffer mit allem, was der Säugling braucht.
    Erst als Großmutter habe ich wieder zu stricken angefangen. Ich konnte plötzlich an keinem Spielwarenladen mehr vorbeigehen und durfte zu meiner großen Freude und Erleichterung feststellen, dass Klassiker wie » Die kleine Raupe Nimmersatt«, » Der Kater mit dem Hut« und » Ein Tiger kommt zum Tee« noch immer reißenden A bsatz finden. Jetzt surfe ich manchmal nur zu dem Zweck im Internet, um herauszufinden, wie man Kaulquappen aufzieht. Ich sammle bunte V erpackungen, Strohhalme und V ogelfedern, damit ich genügend Material zum Basteln mit meinen Enkeln habe. Ich kann mir kein Bild von einer Kuh ansehen, ohne » muh!« zu machen und kein Bild von einem Hund, ohne » wuff-wuff!«. Ich habe angefangen, alte Rezepte wieder auszugraben: Lebkuchenmännchen, Käsestangen, Pfefferminzglasuren und Scones. Jetzt riecht es oft im ganzen Haus nach frisch Gebackenem, und nach einer Serie von Reinfällen, die in Tränen endeten ( » Aber Oma, wo sind ihre A ugen !«, schluchzte mein Enkelsohn, als ich ein Blech mit Lebkuchenmännchen aus dem Backrohr zog, die aussahen wie fette, von der Sonne geblendete Strandtouristen), bin ich nun wieder einigermaßen auf Kurs.
    Das Zusammensein mit meinen Enkelkindern ist überraschend beglückend, ein Glück, das ich so bisher noch in keiner meiner Beziehungen erfahren habe– aber ich bin nicht die Einzige. Kein Revolverheld zückt schneller seine Knarre als eine Großmutter die Fotos ihrer Enkelkinder. Eine befreundete Granny meinte, es sei, als würde man mitten im W inter an einem kahlen Rosenbusch eine perfekte Rose finden (tatsächlich ist es noch viel besser, aber Sie verstehen schon, was ich meine).
    Kürzlich stolperte ich über ein Zitat von G. K. Chesterton, der vor hundert Jahren schrieb, die Familie sei » wie ein zartes Seil, das sich von den vergessenen Bergen von gestern bis zu den unsichtbaren Gebirgen von morgen erstreckt«– was einem vor allem als Großmutter oder Großvater klar wird. Erst die A nkunft eines Enkelkinds lässt einen begreifen, dass das Leben aus einer ununterbrochenen Kette von Menschen besteht, eine Generation nach der anderen, bis in alle Ewigkeit. W en wundert es da also noch, dass ich anfange, meine Enkel mit dem Namen meines Sohnes zu rufen, meinen Sohn mit dem Namen seines V aters und seinen V ater mit dem Namen meines Enkels? Immerhin schwimmen wir alle in einer dicken, nahrhaften Familiensuppe.
    Manchmal frage ich mich, ob ich meine Freude am Großmuttersein nicht vor allem meiner eigenen Großmutter zu verdanken habe. Meine Granny war ein Segen für mich. Sie lebte ein Stockwerk unter uns im selben Haus in London.

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