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Nemesis 05 - Die Stunde des Wolfs

Nemesis 05 - Die Stunde des Wolfs

Titel: Nemesis 05 - Die Stunde des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
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anderes war als die Angst vor einem neuerlichen Unglück dieser Art. Da war ein Flüstern, eine leise Stimme irgendwo in meinem Hinterkopf, die mir beständig einredete, dass das, was wir taten, falsch war, dass ich diesen Weg hier nicht gehen durfte und dass ich besser umkehren sollte, solange ich noch konnte, weil nämlich das, was uns in den Tiefen dieses Kellers erwartete, viel schrecklicher war als ein paar herabstürzende Gesteinsbrocken und Betonplatten, weil dieses Etwas sogar noch schlimmer war als der Tod.
    Ich gab mir redliche Mühe, nicht in mich hineinzuhorchen. Ich tat im Augenblick besser daran, mich nicht zu sehr auf mich selbst zu konzentrieren; schließlich hatte ich, wie Ellen behauptet hatte, mindestens eine Gehirnerschütterung aus meiner handfesten Konversation mit dem dicken Wirt davongetragen. Wahrscheinlich war es vollkommen normal, dass ich im Moment nicht mehr richtig tickte, mir selbst sogar ein bisschen schizophren vorkam.
    Ich hörte auf, dem Strahl von Carls Lampe mit Blicken zu folgen, und senkte den Kopf, denn etwas nicht weniger Beunruhigendes hatte meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen: Die Blutspur, die mir bereits auf der Treppe aufgefallen war, setzte sich noch immer durch die dunklen Gänge fort, obwohl wir mittlerweile mindestens fünfzig Meter und zwei Abzweigungen hinter uns gelassen hatten, vielleicht sogar mehr. Ich hatte nicht darauf geachtet, obwohl es vielleicht sinnvoller gewesen wäre, als die Decken des Gewölbekellers nach Haarrissen abzusuchen, ging aber davon aus, dass die Spur zwischenzeitlich nicht unterbrochen gewesen war. Wer auch immer kurz vor uns hier gewesen war, musste ungemein viel Blut verloren haben – in winzigen Tropfen zwar, davon aber jede Menge.
    Ich zweifelte nicht daran, dass Maria tot war. Ich hatte gesehen, wie sie sich selbst hingerichtet hatte und in den Hof hinabgestürzt war, ich musste also ihre Leiche nicht mit eigenen Augen gesehen haben, um zu wissen, dass unsere graue Maus nicht mehr lebte. Wer aber sonst hätte diese Spur hinterlassen können? Stefan? Natürlich, es musste Stefan gewesen sein. Irgendwie musste er schließlich einen Weg von außerhalb der Mauer in die Burg zurückgefunden haben. Bei seinem Sturz hatte er sich zwar sicher verletzt, vielleicht hatte seine Nase eine Weile geblutet, ehe man ihm endgültig den Garaus gemacht und den Dolch zwischen die Schulterblätter gerammt hatte.
    Und daher stammten die Tropfen auf dem Boden, so musste es gewesen sein, versuchte ich mich selbst zu überzeugen, aber es gelang mir nicht. Da war ein Fehler in meiner Logik, auch wenn ich ihn in meiner hundsmiserablen Verfassung nicht gleich ausmachen konnte.
    Vielleicht war Maria hier gewesen, nachdem der Tunnel eingestürzt war. Sie war auf dem Turm gewesen – vielleicht war durch den Einsturz ein Weg zwischen den beiden Kellerabschnitten frei geworden, den sie genommen hatte, was für uns bedeutete, dass es uns gelingen konnte, den kreisförmigen Raum unter dem Turm von hier aus zu erreichen und damit vielleicht doch noch einen Weg in die große Freiheit außerhalb der Burgmauern zu finden. Diese Theorie gefiel mir. Über den Umstand, dass sie denselben Denkfehler enthielt wie jene, die ich mir einige Sekunden zuvor ausgesponnen hatte, sah ich geflissentlich hinweg, denn sie ließ einen winzigen Hoffnungsschimmer aufleuchten, auf welchen Carls aufgedunsene Gestalt allerdings meine Sicht beeinträchtigte. Außerdem verlangte eine hartnäckige Stimme in meinem Hinterkopf noch immer danach, Marias Leichnam im Hof zu sehen, während die Stimme meiner Vernunft geduldig, aber nicht besonders erfolgreich dagegen sprach, dass das hier die Realität wäre und nicht etwa ein billiger Zombiestreifen oder ein fesselnder Thriller von Steven King.

Ich war längst nicht mehr in der Lage, mir eine interessante Bruchrechenaufgabe auszudenken, auf die ich mich konzentrieren konnte, um mich von meinen eigenen wirren Gedanken abzulenken, geschweige denn, eine solche zu lösen. Also beschränkte ich mich darauf, meine Schritte zu zählen, was zwar weniger anspruchsvoll war, den Zweck aber beinahe ebenso gut erfüllte. Als wir um drei weitere Ecken gebogen waren und ich die Einhundertdreiundzwanzig erreicht hatte, sahen wir uns mit dem Desaster konfrontiert, welches wir ausgelöst hatten: Der Einsturz hatte sich tatsächlich nicht auf den Gang beschränkt, in dem wir uns zu seinem Zeitpunkt aufgehalten hatten, sondern auf einen viel erheblicheren Teil des

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