Neobooks - Das Leben in meinem Sinn
Loch, das sich so lange schon nicht mehr gemeldet hat.
»Im Moment fühlt sich alles einfach nur …
falsch
an«, sagt Sarah irgendwann. »Was wir getan haben, dass ich es zugelassen habe, dass niemand etwas davon weiß und alle Daniel für den Übeltäter halten.«
»Aber er …«, werfe ich ein.
»Was?«, sagt Sarah und blickt mir fest in die Augen. »Madelaine und er haben versucht, es nicht zuzulassen. Genau wie wir. Und dann ist er nicht länger gegen seine Gefühle angekommen und hat sie geküsst, ja!« Ihre Brauen heben sich. »Ben, hättest du mich nicht davon abgehalten und zur Vernunft gerufen, hätte ich dich schon nach unserem Abend im
›Pure‹
geküsst. Ich … ich bin keinen Deut besser als Daniel. Ich war nur glücklicher … denn du warst da, hast mich zur Besinnung gerufen und … wir hatten in diesem Augenblick keinen Zeugen mit einer Kamera. Sonst hätte es viel eher schon diese erniedrigenden Titelbilder gegeben, allerdings mit uns beiden in den Hauptrollen.«
Da ich nicht weiß, was ich darauf erwidern soll, schweige ich und blicke auf meine Fußspitzen hinab.
»Aber, du hast gesagt, dass Daniel und Madelaine jetzt zusammen sind. Dass … sie sich lieben. Und wir lieben uns, nicht wahr? Warum …«
Sie schüttelt den Kopf in aller Vehemenz, springt dann auf und läuft im Zimmer auf und ab, als könne sie die Wahrheit nur so ertragen.
»Nein! … Nein, Ben, so einfach ist das nicht. Ich … ich bin keine siebzehn mehr, verstehst du? Ich bin eine erwachsene Frau und … Mutter. Ich kann mich nicht einfach kopflos von einer Beziehung in die nächste stürzen und Josie einfach mitziehen. Das wäre … ihr gegenüber so unfair.«
Ich scheitere an dem Versuch, den dicken Klumpen in meinem Hals zu schlucken.
Bitte! … Bitte nicht!
»Meine Eltern …«, fährt Sarah irgendwann fort. »… waren großartig miteinander. Sie sind es bis heute. Meine Mum war immer so eine Art rettender Anker für meinen Dad. Sie war daheim, kümmerte sich darum, dass unser Alltag geregelt ablief, und baute ihm das Nest, das er brauchte, um sich wohl zu fühlen. Ich bin nicht so! Ich fühle mich, als wäre ich als Mutter auf der gesamten Linie gescheitert. Ich habe es ja nicht mal geschafft, Daniels Haus ein wenig Gemütlichkeit einzuhauchen. In all den Jahren nicht.« Sie schüttelt den Kopf und dreht ihre langen Haare zu einem dicken Zopf. »Daniel und ich … wir konnten uns nie gegenseitig sein, was wir wirklich gebraucht hätten. Wir … wir hatten keinen rettenden Anker, im Gegenteil. Wir waren wie zwei Schiffe, die haltlos auf offener See herumtrieben. Eine Zeitlang nebeneinander, aber dann erfassten uns unterschiedliche Wellen und trieben uns endgültig auseinander.«
Der Vergleich ist so bildlich, dass ich die beiden Schiffe vor mir sehe. Ich verstehe gut, was sie meint.
»Und uns beiden …« Nun bleibt Sarah endlich stehen und schaut mir tief in die Augen. »… uns würde es genauso ergehen, Ben. Weil wir genau in derselben Situation sind. Momentan sehen wir uns zwar täglich, weil wir zusammenarbeiten. Aber was wird, wenn
›Das Leben in meinem Sinn‹
ein Ende findet und wir beruflich getrennte Wege gehen?«
»Können wir das nicht einfach abwarten und sehen, was dann kommt?«, frage ich.
Sie schüttelt den Kopf. »Nein. Das könnten wir, wenn ich noch alleine wäre. Wenn es nur um uns beide ginge. Aber ich habe Josie. Und die hat dich sehr lieb.«
»Ich sie auch«, gestehe ich.
Sarah kneift die Augen zusammen und wendet sich ab, als hätte ich ihr einen Schlag verpasst. »Ich weiß! Aber … sollten wir scheitern, Ben … ich habe nicht die Kraft dazu, all das noch einmal durchzustehen, was jetzt mit Daniel auf mich zukommt. Und vor allem will ich es Josie nicht noch einmal antun. Auf keinen Fall! Vielleicht … Gott, ich hoffe es so sehr, dass Daniel und ich die Trennung jetzt einigermaßen unblutig hinkriegen, aber sollten wir beide, Ben, in ein, zwei Jahren merken, dass es mit uns doch nicht funktioniert, wäre sie schon älter und bekäme viel mehr davon mit. Nein!«
Ich richte mich noch einmal auf, versuche, ihre Hände zu fassen, aber Sarah zieht sie zurück, bevor ich sie ergreifen kann. Sie ist so abweisend. »Du tust so, als wäre es vorprogrammiert, dass wir scheitern«, werfe ich in meiner unaufhaltsam wachsenden Panik ein.
Sie senkt ihren Blick; eine einzelne Träne tropft auf den Parkettboden. »In meinen Augen ist es das, tut mir leid«, erklärt sie in einem rauhen
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