Neobooks - Das Leben in meinem Sinn
zu spät.« Ihr Blick wandert zu den Rosen in meiner Hand.
»Ernsthaft?«, frage ich. »
Jetzt
bist du nervös?« Ich denke an die Pressekonferenz zurück und daran, dass ich fast einen Nervenzusammenbruch erlitten hätte, während Sarah die Ruhe in Person gewesen war. Ich denke an ihre Hand, die meine unter dem Tisch gedrückt hat, und an ihr selbstsicheres Lachen.
Und nun steht sie vor mir, beißt auf ihrer Unterlippe herum und reibt sich die Oberarme, weil sie nicht weiß, wohin vor lauter Nervosität. Diese Frau … ist mir manchmal ein Rätsel.
Ich reiche ihr die zweite weiße Rose. »Was ist denn bitte eine Premiere ohne Blumen?«, frage ich. Sarah lächelt. »
Keine
Premiere!«, sagt sie und schnuppert an der Blüte. »Danke!«
Auf Zehenspitzen platziert sie einen sanften Kuss auf meiner Wange und wendet sich dann der breiten Marmortreppe zu.
»Josie! Komm runter, Süße, Ben ist da!«
Nur Sekunden später wird im Obergeschoss eine Tür aufgerissen. »Beeen!«
Ich beobachte halb amüsiert, halb besorgt, in welchem Tempo Josie die Stufen herabläuft und dann auf mich zurast. Sarah hat mir bereits erzählt, dass ihre Tochter einen Narren an mir gefressen hat, doch so recht konnte ich ihr das nicht glauben. Schnell gehe ich in die Knie und umarme die Kleine zur Begrüßung. Dann reiche ich ihr die dritte Rose, die zwar etwas kürzer, dafür aber dornenlos und rosarot ist.
»Für die jüngste Dame des Hauses.«
»Ohhh, eine Prinzessinnen-Blume«, staunt Josie.
Als sie an der Blüte schnuppert, frage ich mich, ob es eine evolutionäre Begründung für die einheitliche Reaktion von Frauen auf Blumen gibt. Blume – Nase rein. Das scheint ein angeborener weiblicher Reflex zu sein.
Josie niest. »Riecht gut, aber kitzelt«, erklärt sie nüchtern und entlockt ihrer Mutter mit diesem Statement ein Lachen.
»Ich bin heute übrigens nicht alleine hier«, sage ich und pfeife dreimal hintereinander. Dieses Mal klappt es. Wie ein Pfeil schießt Jack um die Ecke, direkt auf Josie zu und
bums
, sitzt die Kleine auf ihrem Hinterteil. Mein Hund steht schwanzwedeln vor ihr. Ich beuge mich herab, um ihn zu tadeln, doch in diesem Moment ertönt ein schrilles Quietschen.
»Oooh, ist der süß!«, ruft Josie entzückt und streichelt Jacks fleckiges Fell. Sekunden später rollen die beiden als ein verschlungenes Knäuel über den Boden.
»Siehst du, genau das meinte ich«, flüstert Sarah mir mit einem Augenzwinkern zu.
Gemeinsam essen wir zu Abend; danach gehen wir in den großen Wohnraum. Sarah verschwindet noch einmal mit Alberta in der Küche und kommt wenig später mit zwei Schüsseln Popcorn zurück, von denen sie eine neben Josie und die andere zwischen uns auf der Couch abstellt.
»Nur noch zehn Minuten«, stellt sie mit einem bangen Gesichtsausdruck, der so gar nicht zu ihr passen mag, fest. »Du bist tatsächlich nervös«, sage ich und unterdrücke – nur halbwegs erfolgreich – mein Lachen.
»Lachst du mich etwa aus?«, fragt Sarah empört und bewirft mich im selben Atemzug schon mit Popcorn.
Gott, ich will sie küssen! So sehr.
Vielleicht ist es nur Albertas Schluffen zu verdanken, dass ich meine Lippen in diesem Moment nicht auf Sarahs presse. Die pummelige Nanny lässt sich in ihrem großen Lehnsessel nieder; Josie liegt bereits neben Jack auf dem Teppich vor dem Fernseher. Alle haben ihren Platz gefunden.
»Ich darf heute gaaanz lange wach bleiben, weil meine Mommy und Ben gleich im Fernsehen kommen«, erklärt Josie meinem Hund, der sie ansieht, als würde er jedes Wort verstehen, vermutlich aber nur voller Sehnsucht das Popcorn beobachtet, das sich bei ihren Worten im vollgestopften Mund der Kleinen bewegt.
Dann ist es so weit. Die Titelmusik der Serie erklingt, und die Bilder der verschiedenen Charaktere flimmern über den Bildschirm. Josie springt auf, und Jack, der hinter ihrer plötzlichen Bewegung ein Spiel wittert, tut es ihr gleich. Beide hüpfen auf und ab wie Bälle.
»Da ist Ben, guckt mal … Mommy! Da bist du, Mommy. Da bist duhuhuuu!«, jubelt Josie in heller Aufregung.
Alberta lacht lauthals und jagt mir wieder einmal mit ihrem Stimmvolumen einen Mordsschrecken ein. Sarah bemerkt mein Zucken, stellt die Schüssel mit dem Popcorn auf den Couchtisch und rückt noch näher an mich heran. Schweigend sehen wir uns an. Sarahs Blick wandert langsam zu meinem Mund. Als sie mir lächelnd ein winziges Stück Popcorn von der Unterlippe wischt, ist mir die Berührung mehr Qual als
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