Neobooks - Das Leben in meinem Sinn
längst nicht alle meiner Fragen, aber ich lasse es vorerst dabei bewenden.
»Sarah, komme, esse was!«, fordert Alberta, die sich ebenfalls erhoben hat und sich nun in größter Selbstverständlichkeit an mir vorbei in meine Küche schiebt. Ich suche nach Sarahs Blick, doch sie weicht mir aus und folgt Alberta ohne ein Wort des Widerspruchs.
Was …?
Sarah isst in absoluter Stille. Wie mechanisch schiebt sie sich eine Gabel nach der anderen in den Mund. Sie kaut und schluckt, ohne zu schmecken, so wirkt es. Ein mulmiges Gefühl überkommt mich, als ich sie so sehe, und obwohl ich hinter ihr im Türrahmen lehne und mehr als nur einmal mit dem Gedanken spiele, mich zu ihr zu setzen, tue ich es doch nicht. Ich weiß nicht warum, aber Sarah strahlt plötzlich eine solche Unnahbarkeit aus, dass ich automatisch die Distanz zu ihr halte.
Und Alberta – der scheint es nicht anders zu gehen. Sie steht nur eine Armlänge von mir entfernt, blickt ebenso starr auf Sarah wie ich und räumt ihren leeren Teller schließlich wortlos ab, ohne zu fragen, ob sie etwas vom zweiten Gang essen will.
Sarah erhebt sich und scheint erst, als sie sich mir zuwendet, zu realisieren, dass ich die gesamte Zeit über hinter ihr stand. Sie wirft mir einen kurzen undefinierbaren Blick zu. Dann entschuldigt sie sich mit den Worten, sie sei müde, und verschwindet in ihrem Zimmer.
Kurz darauf, Alberta und ich haben wieder vor dem laufenden Fernseher Platz genommen, höre ich das Plätschern der Dusche. Das Geräusch reicht aus, tausend Bilder der vergangenen Nacht wachzurufen und wild durch meinen Kopf blitzen zu lassen. Ich stelle mir vor, wie Sarah das Wasser genießt und ihren Körper einseift. Zur Ablenkung rufe ich schnell nach Jack, der sich neben mich legt und dankbar kraulen lässt.
Eine halbe Stunde verstreicht schleichend und zäh, bis Sarah mit einem Handtuch um den Kopf aus dem Bad kommt und uns eine »Gute Nacht« wünscht.
Alberta nimmt das zum Anlass, sich ebenfalls zu verabschieden, und auch ich schalte den Fernseher kurz darauf ab und gehe in mein Zimmer.
»Komm zu mir«, hatte ich Sarah gebeten, und sie hatte eingewilligt.
Hoffentlich steht unsere Verabredung nach dem Besuch bei Daniel noch.
Als sich eine halbe Ewigkeit später endlich die Klinke meiner Schlafzimmertür herabdrückt, setze ich mich blitzschnell in meinem Bett auf.
Sie ist da!
Sarah tritt ein, mit noch feuchtem Haar, verschließt die Tür hinter sich und wendet sich mir langsam zu. Ein eisiger Schauder erfasst mich und löscht die Wärme meiner Freude, sobald unsere Blicke aufeinandertreffen
. Nein, bitte nicht!,
flehe ich innerlich, doch da ist er schon, der Satz, den ich so fürchtete: »Ben, wir müssen reden.«
Und dann setzt sie sich neben mich auf die Bettkante, knetet ihre Hände, auf die sie unablässig herabstarrt, und erzählt mir alles, was sich zwischen Daniel, Madelaine und ihr im Krankenhaus zugetragen hatte.
Ich rücke näher zu ihr, streiche über ihren Rücken und versuche, sie sanft zu mir zu ziehen, aber Sarah versteift sich in meiner Umarmung und bleibt aufrecht sitzen.
»Madelaine und er … sie lieben sich«, sagt sie schließlich. Ich verstehe die letzten Worte kaum, weil ihre Stimme darunter wegbricht. Dennoch packt mich der kalte Schauder von zuvor erneut und schüttelt mich durch. »Oh!«, ist wieder einmal alles, was ich sagen kann.
Nun sieht sie mich an. Zum ersten Mal an diesem Abend länger als für ein paar Sekunden. Und ihr Blick geht mir durch und durch, denn er wischt jegliche Zweifel weg. Oder sollte ich sagen, jegliche Hoffnung? Denn mit einem Mal weiß ich genau, wo dieses Gespräch enden wird.
»Es war ein Fehler, Ben«, sagt sie.
»Letzte Nacht?«, frage ich halb erstickt.
Sarah antwortet nicht, blickt nur wieder auf ihre Hände herab und knetet sie noch fester als zuvor. »Wir hätten warten sollen. So … weiß ich momentan gar nichts mehr. Ich weiß nur, dass es eine Illusion war.«
»Das mit uns?«, frage ich wieder, dieses Mal fester, und ziehe meine Hände dabei weg. Weiche zurück.»Zu denken, dass ich all das, was zwischen Daniel und mir war, einfach so zur Seite legen, abhaken und mit dir neu beginnen kann«, erklärt sie.
Ihre Worte bleiben in der Stille hängen – schwer und unwiderruflich – und wirken schmerzhaft nach. Ich ziehe die Knie an und umschlinge sie mit meinen Armen. Habe das Gefühl, etwas dicht an meine Brust drücken zu müssen, denn plötzlich ist da wieder dieses brennende
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