Neobooks - Das Schloss im ewigen Eis
sich umgehend, verneigte sich und schlurfte aus dem Zimmer.
Ihre Gebieterin wartete, bis sich die Tür geschlossen hatte, bevor sie sich ereiferte: »Was geht hier vor? Dieser Knabe überlebt, was er nicht überleben kann, und verfügt ansatzweise über Magie. Der wird mir langsam unheimlich. Ziehe ich noch in Betracht, dass Königin Nemedala, als er geboren wurde, längst über das Alter hinaus war, in dem man sich noch Gedanken über Nachwuchs macht, dann sträuben sich mir tatsächlich die Haare.«
»Was nicht häufig vorkommt«, bemerkte ihre Gesprächspartnerin unbeeindruckt, begutachtete eine Traubenrebe und pickte sich die dicksten Beeren heraus. »Ich werde Priesterinnen damit beauftragen, Ahnenforschung im da’Kandar-Geschlecht zu betreiben. Vielleicht war ja eine uns unbekannte Magierin darin vertreten. Aber magische Veranlagung hin oder her, Ligurius’ Spionen kann er nicht entkommen. Das ist noch keinem gelungen, nicht einmal den Ketzern, die wussten, dass sie gesucht wurden. Wenn der Junge lebt und im Norden ist, dann gehört er bald uns.«
Ayala sah ihre Tischgenossin länger an, lachte plötzlich auf und griff sich auch endlich Brot und Käse. »Da sind wir einer Meinung. Wir haben einen unschätzbaren Vorteil auf unserer Seite. Schließlich kann er nicht einmal ahnen, dass die Ketzerjäger ihm auf den Fersen sind. Der gefährlichste Feind ist immer der, den man nicht kennt. Ich fürchte, die Tage, die der da’Kandar-Erbe in Freiheit verbringen darf, sind gezählt, aber schließlich hat er dort schon fünfzehn Jahre länger verbracht als erwartet. Bei dem, was vor ihm liegt, wird er sich wohl noch häufig wünschen, er wäre seinerzeit nicht entkommen.«
Martha schluckte ihren Bissen hinunter und nickte. »Ja, die Gnade eines schnellen Todes wird allzu oft unterschätzt.« Mit einem Zwinkern schenkte sie Ayala und sich selbst jungen Wein ein.
Sie hatten die Schilfkuppel erst vor wenigen Augenblicken verlassen, doch schon tropfte der erste Schweiß. Marga kauerte auf ihrem Pferd und hoffte immer noch, nur schlecht geträumt zu haben, denn Gideon hatte sich gerade von ihr verabschiedet.
Zwei Tage hatten sie bei den Echsen verbracht, und dem verwundeten Jäger ging es deutlich besser. Aber der Dorfälteste hatte beschlossen, den jüngeren Verianer für den Fall der Fälle dazubehalten. Da die völlige Genesung durchaus länger dauern konnte, Fürst Darius die Siegelerben aber baldmöglichst erwartete, hatte Meister Cato, ohne auch nur ihre Meinung einzuholen, beschlossen, ohne seinen Schüler weiterzureisen. Diese Eigenmächtigkeit ärgerte sie, aber dagegen aufbegehren konnte sie nicht. Schließlich erwartete ihr Vater tatsächlich nur den Weisen und nicht auch noch dessen Schüler, mit dem sie sich so furchtbar gern unterhielt. Selten war ihr ein Mensch innerhalb so kurzer Zeit derart ans Herz gewachsen.
Am Abend zuvor hatte er seine Laute genommen und mit seinem Spiel und seiner Stimme sogar die Echsen verzückt. Als die sich still zu ihnen gehockt und im Takt der Melodie gewiegt hatten, hatte sie gespürt, dass die gepanzerten Wesen mit den ausdruckslosen Gesichtern den Menschen verwandter waren als Tieren.
Verzagt schüttelte sie den Kopf. »Gibt es denn wirklich keine andere Möglichkeit, Gideon? Ein, zwei Tage könnten wir noch warten.«
»Es könnte auch zehn Tage dauern, bis der Krieger wieder laufen kann. Ich kenne mich mit den Körpern der Kalla nicht aus. Aber, wenn die Götter es wollen, werden wir uns wiedersehen. Passt bitte auf meinen Meister auf, und passt auch auf Euch auf!«
Traurig nickte sie, ergriff die Zügel, folgte ihren Führern und sah sich nicht mehr um.
Gideon hingegen sah seinen ehemaligen Begleitern lange hinterher. »Mögest du mehr Freud als Leid finden auf deiner Reise und an deren Ende wohlmeinende Götter!«, murmelte er tonlos. Als die Pferde im hohen Schilf verschwanden, wusste er, dass er seinen Lehrmeister nicht mehr wiedersehen würde. Er fühlte sich wie gelähmt, und alle Gedanken verschwanden in einem Loch, bis ihn nur noch Leere umgab.
Ein Kalla-Krieger stieß ihn unsanft an und gab Laute von sich. Der Verianer schrak zusammen und schubste ihn weg. »Weißt du was, du ungebildeter, gepanzerter Muskelberg? Du kannst mich mal gernhaben! Wenn du glaubst, mir zittern die Knie, dann hast du verdammt recht, aber geistig überlegen bin ich dir trotzdem. Zumindest habe ich eine leise Ahnung davon, warum einige Lebewesen fliegen können. Du
Weitere Kostenlose Bücher