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Neobooks - Die Zitadelle der Träume

Neobooks - Die Zitadelle der Träume

Titel: Neobooks - Die Zitadelle der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Sons
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nur warnen.« Junas Stimme war dunkel, und ihr Blick hielt den seinen fest. »Ihr ahnt nicht im entferntesten, worauf Ihr Euch einlasst.«
    Ihre Großmutter hatte unterdessen ein eisernes Becken geholt, stellte es auf den Tisch und füllte jetzt verschiedene Kräuter und Pulver hinein.
    Derea sah ihr dabei zu und schwankte stark. Die Verlockung war riesengroß, aber was war, wenn Juna recht hatte und auch er mit dem, was er sah, nicht leben konnte. Ohne die Gelegenheit dazu gehabt zu haben, war ihm die Aussicht, in die Zukunft sehen zu können, geradezu unwiderstehlich erschienen. Aber jetzt hatte er auch Angst vor diesem Wissen.
    Die Alte legte einen kleinen Dolch mit einer nahezu durchsichtigen Schneide vor ihn. »Wenn du dich entschieden hast, musst du Blut opfern. Ein paar Tropfen reichen aus. Überlege aber gut, Ayalas Sohn! Die Zukunft zu kennen verlangt oft mehr Stärke, als die Gegenwart zu meistern.«
    »Ist das, was ich sehe, unabänderlich?«
    Sie zuckte die Achseln und wiegte ihren hageren Körper hin und her. »In mancher Hinsicht schon, in mancher auch nicht. Dein Schicksal ist wie ein Rinnsal und das der Menschen wie ein gewaltiger Strom. Er reißt dich mit, aber manchmal gelingt es dir, dich irgendwo ans Ufer zu krallen und zu verweilen, bevor das Wasser dich wieder erfasst. Nur sollte dir immer klar sein, ein kleines Rinnsal kannst du vielleicht mit deiner Hand eine Zeitlang aufhalten oder sogar umleiten, einen reißenden Fluss nicht.«
    Derea sah von Juna, die wieder den Kopf schüttelte, zu Marlena und nahm den Dolch. Kurz zögerte er, hörte erneut Junas »Tut es nicht!«, bevor er sich entschlossen in den Daumen ritzte und Blut auf die Kräuter tropfen ließ.
    Junas Großmutter goss eine milchige Flüssigkeit darüber und sofort stieg feiner Rauch auf und verbreitete einen herben Geruch.
    »Schließ die Augen!«, forderte die Alte.
    Derea spürte ihre Hände an seinen Schläfen. Die Alte drückte seinen Kopf dicht über den Kessel. »Atme den Duft des Schicksals! Öffne deine Gedanken für die Bilder der Zukunft!«   
    Er glaubte augenblicklich, im Nebel zu versinken, und sackte auf dem Stuhl zusammen. Marlena sah ihre Enkelin an. »Lass ihn uns aufs Bett legen. Warum hast du versucht, ihn davon abzubringen. Das war sehr töricht, meine Liebe.«
    Die zuckte die Achseln. »Ich habe gewusst, dass er zustimmen wird, wenn ich ihm abrate. Er ist doch viel zu sehr Mann, um den Empfehlungen einer Hexe wie mir zu folgen.«
    Die Alte lachte kehlig auf. »Du bist wahrhaft die Tochter deiner Mutter. Hoffen wir, dass unser Plan weiterhin so gut gelingt. Er scheint mir bestens geeignet für die Rolle zu sein, die wir ihm zugedacht haben. Eigentlich schade um den hübschen Jungen.«
    Juna betrachtete versonnen den Hauptmann, der sich mit gequälter Miene unruhig auf seinem Lager hin und her warf, und fragte leise: »Kannst du sehen, was er sieht?«
    Marlena schenkte sich Wein ein. »Nein, aber ich weiß, was er sieht.«
    Dereas Geist trieb über ein Schlachtfeld, aber es waren keine Hordenkrieger, gegen die hier gekämpft wurde, sondern Flammenreiter kämpften gegen Adler. Unzählige Tote lagen weit verstreut, und überall wurde noch mit großer Härte gekämpft. Verwundete schrien laut nach den Heilern, aber keiner kümmerte sich um sie. Er trieb weiter durch verödete Städte und Dörfer. Zwischen halb zerfallenen Häusern verprügelten Mütter unbarmherzig ihre weinenden Kinder, und zwei Männer schlugen aufeinander ein, weil einer den anderen angerempelt hatte. Kleine Kinder warfen mit Steinen auf einen auf der Erde liegenden, blutenden Krüppel, und ein Mann bedrängte auf offener Straße ein junges Mädchen. Es bettelte verzweifelt um Hilfe, aber die vorbeigehenden Menschen sahen nicht einmal hin. Er schwebte in den Thronsaal und sah Morwena. Ihr Haar war grau geworden, ihre Haut faltig und ihre Augen traurig. Canon kam in den Raum gefegt und donnerte mit lauter Stimme: »Hast du erlaubt, dass die Krieger ihre Familien besuchen, bevor sie abmarschieren? Ich habe dir schon häufiger gesagt, du sollst dich aus meinen Geschäften heraushalten. Hast du immer noch nicht begriffen, dass du zu alt und mittlerweile auch zu schwachsinnig bist, um noch Befehle zu erteilen? Unsere Krieger an Latohors Grenzen warten auf Verstärkung. Ich erteile hier die Befehle. Misch dich noch einmal ein, und du findest dich im Verlies wieder. Hast du jetzt endlich verstanden?« Sie nickte, und dicke Tränen liefen über ihr

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