Neobooks - Transalp 11
beim Osterwald Sepp schon was anderes. Dem Schrecken vom Kleinhesseloher See. Den haben wir nur bekommen, weil er zufällig neben mir im Aumeister-Biergarten auf dem Pissoir stand und ihm einer der Klunker aus der Hosentasche gefallen ist. Und ich hab das Stück erkannt, weil die Besitzerin, die er am Tag vorher überfallen hat, ein Foto von jedem ihrer Juwelen hatte.«
»Die Story musst du dir für später aufheben, Anselm.«
»Das war schon die Story. Außer dem netten Detail, dass er auf und davon ist, als ich ihn stante pede verhaften wollte. Ich Depp. Mehr Reflex: Ich seh den riesigen Rubin und sag im nächsten Moment: ›Sie sind verhaftet.‹ Hab ihn aber nicht greifen können, den Sepp. Leider hab ich gerade noch was anderes in der Hand gehabt. Und das geht ja nicht. Obwohl: ›Mit vorgehaltener Waffe …‹ Großartig, das muss ins Programm der Flach- und Miesgesellschaft!«
Stephanie Gärtner verdrehte die Augen und blies sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Jedenfalls: Bis ich alles verpackt gehabt habe, war der Sepp draußen. Der hat aber schon zwei Maß intus gehabt und daher die Kurve am Steckerlfischstand vorbei nicht geschafft. Ist mitten im Grill gelandet. Da habe ich ihn dann gepackt.«
»Vorher Hände gewaschen?«
»Der Sepp hat eh gefischelt.« Plank schlug sich vor Vergnügen aufs Knie.
»Anselm!«
»Du wolltest es doch wissen.«
»Nein, wollte ich nicht. Aber ich will jetzt wissen, wie die da hochgekommen sind. Weil das ja heißt, dass sie
uns
hinterher sind. Der Spindler war ja gar nicht da oben.«
Planks Gesichtsausdruck verfinsterte sich.
»Ich hab mir damals schon in der Bergbahn gedacht: Was ist, wenn es mehrere Leute gibt, die uns beobachten? Man weiß ja nicht, welches Netzwerk diese Arschlöcher haben.«
»Ich hoffe nur, dass der Dr. Keil auch wirklich weiß, was er tut. Und dass da tatsächlich auch Leute auf uns aufpassen im Verborgenen.«
»Das hoffe ich allerdings auch. Vielleicht haben sie ja einen Satelliten auf uns gerichtet.«
»Ja stimmt – die können ja unsere Mobiltelefone verfolgen.«
»Ob das die anderen auch können?«
»Du meinst, wir sollten die lieber mal ausmachen?«
»Meins ist ja eh aus, weil ich seit den Bergen keinen Strom mehr habe. Ich vermisse das Teil auch nicht wirklich. Was mir lieber wäre, wäre ein anderes Stück Eisen. Meine Dienstwaffe.«
»Wolltest du ja unbedingt im Auto liegen lassen, Amselm. ›Der Spindler schießt nicht auf uns‹, mir klingts noch in den Ohren. Mannomann, dafür rennen uns aber genug andere mit ihren Witwenmachern hinterher.«
»Illegal kann ich jetzt keine Waffe besorgen. Und den Carabinieri-Hengst frag ich bestimmt nicht danach. Ist ja peinlich.«
»Männer …«
»Mach du auf alle Fälle dein Handy mal aus, bis wir eine Bleibe in Venedig gefunden haben. Die müssen ja nicht wissen, wo wir wohnen. Und dem Keil kann ichs ja vom Hotel aus faxen oder so.«
Sie drückte den Aus-Knopf ihres Smartphones. Aus dem Kofferraum sendete der Transponder aus Planks Rucksack weiter sein verräterisches Signal in den Himmel.
Venedig, 11.40 Uhr
Mit dem Wäscheboot hatte sich Spindler nach Venedig geschmuggelt. Der Eisenbahndamm, der Straßenzubringer und die Passagierboote waren ihm zu heiß. Im kleinen Hafen von Mestre hatte er das Boot einer Wäscherei gefunden, die einige der feineren Hotels am Canal Grande mit frischen Bettlaken und Tischdecken belieferte. Gegen einen Obolus nahm ihn der Chef mit und ließ ihn an der Seite des Hotels Danieli unbemerkt aussteigen. Er war jetzt mitten in Venedig. Den Punkt in der Stadt, an dem er den Weg beginnen musste, kannte er noch nicht. Und dann waren da die merkwürdigen Bleistiftstriche am Ende der Nibelungen. Eine Zeile mit fünf Strichen und eine Zeile mit sechs Strichen. Stammten die Striche von Christina Gerdens? Oder gar von … Egal, irgendetwas musste an die Stelle der Striche gehören. Eine Zahlenkombination vielleicht? Und falls ja, wohin würde ihn diese Kombination führen? Immerhin, die Mechanik hinter den Rätseln hatte er durchschaut. In den Nibelungen war ein rätselhafter Weg durch die Gassen und Kanäle von Venedig beschrieben. Doch ohne einen Startpunkt halfen alle Richtungsangaben nichts. Ohne Anfang stimmt jede Richtung.
Du musst den Anfang finden! Wenn du sonst nicht weiterkommst, musst du einfach einen Anfang annehmen. Nun ja, ein schöner Anfang, wenn man nicht weiß, wo er ist.
Spindler hatte sich mit dem besten Stadtplan von Venedig bestückt und
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