Neptuns Tochter 2
dass irgendein Typ eine Familie mit zwei kleinen Kindern so mir nichts dir nichts auf die Straße setzen kann«, behauptete sie. Dabei rannte sie förmlich um die aufgebauten Kisten herum.
Timea versuchte ihr hinterherzuschauen, gab aber nach der zweiten Runde auf. »Es tut mir leid, aber ich befürchte, dass er die besseren Karten hat.«
»Und wenn sie einfach nicht ausziehen?«, überlegte Mika. Sie war inzwischen vor Timea stehengeblieben. »Kannst du nicht einfach sagen, dass du dich weigerst, den Bungalow zu verkaufen?«
»Schon, aber dann würde der Besitzer einen anderen Makler beauftragen«, gab Timea zu bedenken. »Es muss eine andere Lösung geben.«
Sofort setzte sich Mika wieder hin. »Genau«, rief sie überzeugt. »Zur Not schlage ich hier mein Lager auf. Mal sehen, wer sich mit mir anlegen will.«
»Da du die Tochter von Adam David bist, werden das nicht viele Leute sein«, unterstrich Timea.
Für wenige Sekunden saß Mika vollkommen still, die Augen fest geschlossen. »Das musste ja irgendwann kommen«, sagte sie.
»Entschuldige, Mika.« Am liebsten hätte sich Timea eine Ohrfeige verpasst. Diese Spitze kam einfach aus ihr heraus. Ungewollt. »Das war nicht so gemeint, wie es vielleicht geklungen hat.«
Langsam hoben sich Mikas Lider. Sichtbar wurden Augen. Moosgrün. Mit Tau benetzt. »Wie war es denn gemeint?«, fragte Mika erstaunlich gefasst.
Dummerweise konnte Timea die Frage nicht beantworten, ohne Mika zu verletzen. Denn wenn Timea ehrlich war, dann hatte sie den Satz genau so gemeint, wie Mika ihn aufgefasst hatte.
»Wusst’ ich’s doch«, sagte Mika, nachdem sie zu lange auf eine Antwort warten musste. Seufzend griff sie nach dem Buch, das auf einer Kiste lag, und klappte es an einer markierten Stelle auf.
Auch wenn Mika sie ab jetzt ignorierte – Timea weigerte sich, ihren Platz zu verlassen.
»Solltest du dich nicht längst um deinen Job kümmern?«, knurrte Mika nach einigen Minuten.
Erleichtert atmete Timea aus. Dieser bissige Tonfall klang wie Musik in ihren Ohren. »Das sollte ich wohl«, stimmte sie zu. »Aber erst muss ich noch etwas mit dir klären.«
Mika legte das Buch wieder hin. »Das klingt jetzt aber gefährlich«, sagte sie mit weit aufgerissenen Augen.
Dahinter konnte Timea so viel Unsicherheit erkennen, dass sie eine Gänsehaut bekam. Mika wirkte wie ein junges Mädchen, das schreckliche Angst davor hatte, verletzt zu werden. Am liebsten hätte Timea sie in den Arm genommen.
Aber sie tat es nicht. »Ich denke, dass wir miteinander reden müssen. Warte«, sagte sie, als Mika sie unterbrechen wollte. »Ich weiß, dass du schon lange reden willst. Stell das einfach mal beiseite und sag, ob ich noch rechtzeitig zur Vernunft gekommen bin oder nicht.«
»Vernunft klingt bei Gefühlsdingen immer so . . . vernünftig«, sagte Mika etwas verschnupft. »Aber egal. Ich nehme, was ich kriegen kann. Für den Augenblick.«
»Und was heißt das, Mikaela?«
»Wann und wo treffen wir uns? Und ist das dann ein Rendezvous?«, fragte Mika mit einem verschmitzten Grinsen. »Ich frage nur wegen der Kleiderwahl. Ob ich Blumen mitbringen soll . . .«
Timea stand auf, deutete mit der Hand, dass sie Mika anrufen würde und ging auf den Bungalow zu. Im Hintergrund plapperte Mika ungebremst weiter.
»Ob ich dich abholen soll, oder wir uns wo auch immer treffen. Ob wir anschließend vielleicht noch tanzen gehen. Ob ich dich dann auch küssen darf – schließlich wäre es unser erstes Rendezvous. Da weiß ich immer nicht . . .«
~*~*~*~
» H m«, machte Timeas Großmutter. Den Kopf hielt sie leicht schräg, lauschte in den Raum.
»Kann ich dir irgendwie helfen, Nagyi?«, bot Timea schmunzelnd ihre Unterstützung an.
»Ich versuche gerade herauszufinden, was heute Abend anders ist«, erwiderte die alte Dame.
Timea wartete ab. Wenn ihre Großmutter etwas witterte, dann ließ sie sich nicht ablenken, bis sie herausgefunden hatte, was es war. Also . . . Entspannt lehnte sich Timea in ihrem Ohrensessel zurück, schlug die Beine übereinander und schloss die Augen. Sie versank in den Erinnerungen an die vergangenen Stunden.
Seit sie Mika gesehen hatte, fühlte sie sich wie befreit. Da war ein Summen in ihr, das nicht aufhören wollte. Und – das war ihr noch nie passiert – sie hatte sich ab und zu dabei ertappt, wie sie mitten im Gespräch innehielt. Nur, um zu lächeln. Das hatte bei den Gesprächspartnern zu Irritationen geführt. Ihr war es einerlei.
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