Neptuns Tochter 2
meine Wohnung kommst.«
»Um zu reden«, vervollständigte Timea sofort.
»Selbstverständlich. Nur, um zu reden«, stimmte Mika zu.
Erstaunt sah sich Timea in der Zweizimmerwohnung um.
»Das ist jetzt kein Palast, ich weiß«, deutete Mika Timeas Blicke richtig. »Aber das war das Einzige, was mein Geldbeutel hergegeben hat.«
»Aber eigentlich wohnst du hier nicht mehr. Nicht wahr?«
»Sekunde«, bat Mika, »ich hab’ bestimmt noch irgendwo . . .« Sie kramte im Küchenschrank und holte tatsächlich eine Packung mit grünem Tee hervor. »Mehr kann ich leider nicht anbieten. Es sei denn, du trinkst löslichen Kaffee.«
Timea schaute über die Schulter zurück. »Nein, nein. Der Tee ist okay«, erwiderte sie.
»Wegen deiner Frage«, sagte Mika. »Ich bringe es einfach nicht übers Herz, die Wohnung aufzugeben. Ob du’s glaubst oder nicht . . . ich fühle mich hier wohl. Sie ist so eine Art Schlupfloch.«
»Das kann ich verstehen«, murmelte Timea, während sie Mika zusah, wie sie in der kleinen Küchenzeile hantierte. Unschlüssig darüber, was sie tun sollte, tat Timea das Naheliegendste – sie ließ sich auf das kleine Sofa fallen.
Hier war sie also. In Mikas Wohnung. Um zu reden – und sonst nichts.
Bisher war der Abend völlig entspannt verlaufen. Mika hatte die Geschichten der anderen Gäste erzählt und dabei äußerst überzeugend geklungen. Timea hatte erfahren, dass Mika ihr Philosophiestudium abgebrochen hatte, weil sie keine Lust mehr auf diesen nutzlosen Zeitvertreib hatte. Sie hatte etwas Sinnvolles tun wollen. Auf eigenen Beinen stehen und den Menschen helfen. »Hast du eine Ahnung«, hatte sie gemeint und dabei mit der Gabel Kreise in die Luft gemalt, »wie viel Ungerechtigkeit es allein in Deutschland gibt?« Eine Antwort hatte sie nicht abgewartet, sondern sofort einzelne Fälle aufgezählt.
Timea selbst hatte die meiste Zeit geschwiegen. Ihr hatte es gereicht, Mika zuzuhören.
»Ich bin zwar nicht so geübt wie die Bedienung im Restaurant«, sagte Mika und balancierte zwei Teetassen auf Untertellern zum Sofa, »aber so ganz ungeschickt bin ich auch nicht«, fügte sie stolz hinzu, weil es ihr gelang, beim Abstellen nichts zu verschütten. Sie zögerte, setzte sich dann kurz entschlossen zu Timea – und nicht auf einen der Stühle.
Timea griff nach der Tasse. »Warum willst du heiraten?«, stellte sie die Frage, die ihr auf einmal durch den Kopf ging.
Sofort setzte sich Mika aufrecht hin und zog ein Bein hoch. »Weil Papa darauf besteht. Er hat mir bei etwas geholfen, das mir sehr wichtig ist. Die Hochzeit ist seine Bedingung.«
»Also Mika, wirklich«, sagte Timea, »nichts kann so wichtig sein, dass man sich dadurch zu einer Heirat zwingen lässt.«
»Doch«, widersprach Mika sofort. »Nehmen wir zum Beispiel dich. Du bist doch froh, dass sich dein Schuldenchaos erledigt hat. Du bist nicht mehr abhängig von anderen, kein dubioser Geschäftsmann, der dich erpressen kann . . .«
Timea stellte ihre Tasse hin und drehte sich zu Mika. »Was hat das jetzt mit deiner Hochzeit zu tun?«
Mika hatte begonnen, am Daumennagel zu kauen. »Ich meine . . . du würdest doch auch so ziemlich alles tun, damit das so bleibt?«
Timea wurde aus Mikas Gestammel nicht so recht schlau. Sie suchte in Mikas Miene, ihren Gesten nach Antworten. Nach wenigen Sekunden war sich Timea sicher. Mika hatte offenbar einen stark ausgeprägten Hang zur finanziellen Sicherheit – bei allem, was sie tat.
Irgendwie schmerzte die Erkenntnis.
»Siehst du Mika, darin unterscheiden wir uns«, stellte Timea klar. »Ich will mich nicht von anderen abhängig machen. Wenn ich etwas nicht allein hinbekomme, dann lasse ich es lieber.«
Mit beiden Händen fuhr sich Mika durchs Haar, bis es völlig verwuschelt war. »Willst du behaupten, dass du die Rettung aus deiner finanziellen Misere und das Drumherum allein auf die Reihe gebracht hast?«
»Leider nur zum Teil«, gab Timea zähneknirschend zu. »Das gefällt mir auch nicht. Weil ich nicht weiß, was ich davon halten soll.«
»Ich behaupte«, fuhr Mika – jetzt wieder daumennagelkauend – fort, »dass wir gar nicht so verschieden sind. Das mit meinem Vater ist ein klares Geschäft. Ich bekomme etwas von ihm und er etwas von mir. Fertig.« Sie winkte unwirsch ab. »Außerdem, spätestens in einem Jahr bin ich aus der Nummer sowieso wieder raus.«
»Und damit ist für dich alles in Ordnung.« Timea schüttelte den Kopf. »Wenn du mich
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