Neptuns Tochter (Gesamtausgabe)
zurück. »Und?«
Jetzt wurde Mika richtig wütend. Sie hatte gedacht, sie und Timea wären über diese Ein-Wort-Konversation hinaus. »Und?«, blaffte sie. »Mehr hast du nicht zu sagen? Warum auch zu viele Worte verschwenden auf eine kleine, nichtssagende Angestellte.« Mika musste ganz tief und laut Luft holen, weil sie ihrem Zorn zu schnell freien Lauf gelassen hatte.
Timea sah Mika kalt an und widmete sich dann wieder ihrer Arbeit. »War’s das?«, fragte sie. Sonst nichts.
Völlig perplex starrte Mika die Frau am Schreibtisch an. Sie wurde einfach ignoriert. Irgendetwas musste zwischen dem vertraulichen Du und dem kalten War’s das passiert sein. »Habe ich etwas verpasst? Hast du in den Aufzeichnungen für deine Großmutter Tippfehler entdeckt? Gibt es deine Lieblingsteesorte nicht mehr zu kaufen … Timea, was ist los?«
Langsam hob Timea den Kopf, sah Mika gleichgültig an und griff nach dem Telefonhörer. »Was soll schon sein … Chantal?«
Mika zog den Stuhl vom Schreibtisch vor und ließ sich hineinfallen. Erst musste sie ihre Gedanken sortieren. Aber bevor sie einen fassen konnte, war er schon wieder verschwunden. In ihrem Kopf ging es zu wie auf einem Rummelplatz. Laut, chaotisch und irgendwie – fröhlich. Erst war es nur ein Schmunzeln. Daraus wurde ein breites Grinsen. Zum Schluss konnte Mika sich nicht mehr beherrschen. Sie lachte und lachte, bis ihr die Tränen über die Wangen kullerten.
Fast hatte sie sich beruhigt, da sah sie, dass Timeas Hand noch immer über den Tasten des Telefons schwebte. Den Hörer hielt sie immer noch in der anderen, einige Zentimeter vom Ohr entfernt. Timea hatte sich nicht bewegt, seit Mika angefangen hatte zu lachen.
»Es tut mir leid«, japste Mika, »aber …«, sie wischte sich die Tränen aus den Augen, »woher weißt du das?«
Timea legte den Hörer auf und verschränkte die Arme auf der Schreibtischplatte. »Gernot Hampf«, sagte sie.
»Okay«, sagte Mika gedehnt. »So wird das nichts.« Sie nahm einen Zettel vom Tisch, schrieb darauf ein paar Anweisungen und übergab ihn feierlich an Timea.
Die las, was darauf stand. »Was …?«
»Nicht, was «, erwiderte Mika. Sie drehte das Blatt halb zu sich und deutete mit dem Stift auf das Geschriebene. »Hier steht: Ein vollständiger Satz besteht zumindest aus Subjekt und Prädikat. Das heißt, einzelne Wörter wie … was, ja, und . . . gehören definitiv nicht in diese Kategorie.« Mit sich zufrieden lehnte sich Mika wieder zurück. »Da ich bei Gesprächen sehr viel Wert darauf lege, mich in vollständigen Sätzen zu unterhalten – wie du vielleicht schon gemerkt hast –, wäre ich dir dankbar, wenn du dich auch daran halten würdest.« Sie beugte sich wieder zu Timea. »Aus diesem Grund würde ich sagen, fangen wir von vorn an. Meine Frage war: Woher weißt du das? Und nun bitte ich um eine vollständige Antwort.«
Timea verzog das Gesicht. »Du bist albern«, sagte sie.
»Vielleicht«, gab Mika zu. »Aber ich meine es trotzdem ernst. Ich hasse es, wenn jemand so kurz angebunden ist.« Den ich mag , ergänzte sie gedanklich. Oder den ich liebe.
»Entschuldige«, sagte Timea und hob sofort die Hände. »Warte! Ich entschuldige mich. Besser?«
»Ich will dir das mal durchgehen lassen. Wenigstens der Mittelteil war ein vollständiger Satz.« Mika räusperte sich. »Kannst du mir jetzt sagen, woher du von Chantal weißt?«, fragte sie leise.
»Ich habe vor ein paar Tagen ein Gespräch mit Gernot Hampf gehabt. Da hat er mich nach einer Angestellten meiner Großmutter gefragt«, erklärte Timea. »Chantal Rubinstein. Das hat mich etwas irritiert, wie du dir sicher vorstellen kannst.«
»Und«, fragte Mika grinsend, »hast du ihn über meine wahre Identität aufgeklärt?«
»Iwo«, meinte Timea. Sie grinste ebenfalls. »Wenn er nicht von selbst daraufkommt – sein Problem.« Plötzlich verschwand der Schalk aus ihren Augen. »Was hast du mit ihm zu schaffen, Mika?«
»Gar nichts«, versicherte Mika. »Es ist nur … an dem Tag, als er das letzte Mal hiergewesen ist … da … ich bin ihm draußen begegnet, und er hat mich nicht erkannt. Da hab ich mich halt mit diesem Namen vorgestellt. Ohne Hintergedanken. Ehrlich.«
»Ich weiß nicht«, murmelte Timea vor sich hin.
Erschrocken stand Mika auf. »Du traust mir immer noch nicht über den Weg«, stellte sie fest. Sie spürte, wie ihr Hals enger wurde. In ihren Augen brannte es.
»Doch«, flüsterte Timea. »Ich traue dir. Aber
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