Neptuns Tochter (Gesamtausgabe)
Timea blieb unten, konnte so in Ruhe jeden der Räume begutachten. Sie malte sich gerade aus, wie sie und ihre Großmutter hier leben könnten. Zusammen und doch jede für sich. Es würde funktionieren. Zumindest bestätigte das, was sie bisher gesehen hatte, den Eindruck, den sie aus den Bildern gewonnen hatte.
Es läutete.
»Ich kann gern für Sie öffnen«, rief Timea nach oben, wartete, hörte ein freundliches »das ist sehr nett von Ihnen, danke« und ging zur Tür.
Zum Glück hatte sie die Türklinke noch in der Hand, sonst wäre sie womöglich weggeknickt. Vor ihr, im Flur, mit bleichem Gesicht, stand Mika. Und neben Mika stand Adam David. Die Hand locker auf der Schulter seiner Tochter liegend.
Adam David schaute zwischen Timea und Mika hin und her.
Seine Augen wurden immer schmaler.
Im Gegensatz zu den Augen seiner Tochter. Die wurden immer größer.
Und Timea hielt sich immer noch am Türgriff fest, brachte nur ein leichtes Kopfschütteln zustande. Sie hatte keine Ahnung, wie lange sie sich noch wie in einem Wachsfigurenkabinett gegenübergestanden hätten, wenn Adam Davids rechte Hand nicht nach vorn geschnellt wäre.
»Timea Illay, wenn ich mich nicht täusche?«, fragte er.
Timea ergriff seine Hand, die Augen immer noch von Mikas Anblick gefangen. Erst das feste Zudrücken von Adam David holte Timea aus ihrer Erstarrung. Sie schluckte, räusperte sich kurz, fand endlich ihre Sprache wieder. »Das haben Sie völlig richtig erkannt. Herr David , wenn ich mich auch nicht täusche?«
Sein Lachen erinnerte Timea nur am Rande an seine Tochter. Wenn Mika lachte, bildeten sich in ihren grünen Augen auch diese goldenen Punkte. Allerdings stand in ihnen nicht dieses drohende Funkeln, das Timea jetzt traf.
Adam David schien über sie und seine Tochter Bescheid zu wissen.
Und er machte Timea während dieser kurzen Begrüßung klar, dass er es nicht guthieß. Im Gegenteil.
Timea ließ sich nicht einschüchtern. Warum auch? Sie war diesem Mann zu nichts verpflichtet. Sie war nicht von seiner Gunst abhängig.
Und zwischen ihr und Mika gab es auch nichts außer dieser einen Nacht. Sie hatten miteinander geschlafen. Sex, mehr war nicht gewesen.
Entsprechend fest erwiderte Timea den Händedruck. Es dauerte nur wenige Sekunden. Mit einem Mal änderte sich der Gesichtsausdruck von Adam David. Er sah Timea mit so etwas wie Respekt an, nickte ihr zu und betrat ohne ein weiteres Wort die Wohnung.
»Willst du nicht auch reinkommen, Mika?«, fragte Timea.
Eben hatte sie noch gedacht, dass Mika sie nicht drohend anschauen könnte. Das war ein Irrtum. Mit einem ebensolchen Seitenblick trat Mika an Timea vorbei ein.
Timea verzog das Gesicht. Was auch immer das eben war – dafür hatte sie jetzt keinen Kopf. Denn offenbar war Adam David, oder eher Mikaela David, auch an dieser Wohnung interessiert. In diesem Fall hatte Timea schlechte Karten. Sie verzog das Gesicht noch mehr. Das hier war kein Spiel, bei dem es darauf ankam, wer das beste Blatt hatte oder wer am besten bluffte. Das war die nackte Realität. Entweder sie bekam die Wohnung oder nicht; ohne sich dabei auf irgendwelche Spielchen einzulassen.
In den nächsten Minuten war Timea bemüht, sich nicht gerade in den Räumen aufzuhalten, in denen Mika mit ihrem Vater war. Das war besser so, um nicht abgelenkt zu sein.
Plötzlich wurde sie am Arm gepackt und in die Gästetoilette gezogen. Unvermittelt fand sie sich an die Wandfliesen gedrückt, den funkelnden Augen von Mikaela David ausgeliefert.
Timea zwängte ihren Körper in eine aufrechte Haltung, versteifte die Muskeln, bis sie sich wie Beton anfühlten. Auf keinen Fall würde sie sich dieser Konfrontation entziehen. Diesmal nicht. Und auf keinen Fall würde sie zulassen, dass die Auseinandersetzung so endete wie die letzte.
Sie müsste sich nur losmachen. So einfach war das.
Aber Timea hielt still. Sie wehrte sich nicht gegen die Umklammerung. »Kann ich dir irgendwie helfen, Mikaela?«, fragte sie leise.
Der Griff um ihre Handgelenke wurde fester.
»Du kommst dir wohl ziemlich abgeklärt vor. Stimmt’s?«, zischte Mika ebenso leise.
Timea hob eine Augenbraue.
»Lässt mich hier antanzen. Willst du mir damit zeigen, dass du nur noch geschäftlich mit mir zu tun haben willst? Wenn überhaupt.« Abrupt ließ Mika Timeas Hände los, trat einen Schritt zurück.
Wie in Zeitlupe löste sich Timea von der kalten Wand und rieb sich die Handgelenke. »Ich verstehe nicht, was dein Problem ist.«
»
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