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Nesthäkchen 04 - Nesthäkchen und der Weltkrieg

Nesthäkchen 04 - Nesthäkchen und der Weltkrieg

Titel: Nesthäkchen 04 - Nesthäkchen und der Weltkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Ury
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zusammen und strickten, beide um die Wette, für die Feldgrauen. Wie der Krieg draußen an der Front ein kameradschaftliches Band zwischen arm und reich gewoben, so tat er es auch in der Kinderstube.
    Aber ein kleines Restchen von Vorteil und überhebendem Stolz war trotz alledem in Nesthäkchen Herzen geblieben.
    Annemarie und ihre fünf Freundinnen hatten in diesem Winter zum erstenmal ein Kränzchen. An jedem Sonnabend kamen sie zum Kaffee zusammen. Entweder wurde für die Soldaten gestrickt, oder sie nähten unter Fräuleins Anleitung für ihren Junghelferinnenjungen Kittelchen. Das waren wunderhübsche Nachmittage. Eine las irgendeine hübsche Erzählung vor, und die andern waren fleißig bei der Arbeit. Auch Veras blasse Wangen röteten sich dann vor Eifer, und ihre Augen bekamen wieder Frohsinn und Glanz im Kreise der fröhlichen Genossinnen.
    Heute war bei Annemarie Kränzchen. Sie hatte ihr Zimmer besonders hübsch aufgeräumt und den Tisch eigenhändig zierlich gedeckt. Da Großmama auch Besuch erwartete, tranken die Kränzchenschwestern im Kinderzimmer Kaffee. Annemarie war durchaus einverstanden damit, sie fand es besonders gemütlich, Trude hatte ihr neulich einen Winterstrauß roter Beeren und Tannengrün, den sie in einem Blumengeschäft, für das sie öfters Botengänge tat, geschenkt bekommen, netterweise mitgebracht. Der prangte in der Mitte des weißgedeckten Tisches und machte ihn ganz festlich.
    Es war gegen vier Uhr, gleich mußten die Freundinnen kommen. Annemarie stand am Fenster und spähte aufgeregt zu Margots Wohnung hinüber, die stets die erste war, da sie es am nächsten hatte.
    Da klopfte es leise.
    »Herein«, rief Annemarie und sprang zur Tür, in der Meinung, daß es Margot wäre.
    Die schmale Gestalt des Kriegskindes schob sich schüchtern hinein.
    »Wenn du erlaubst, Annemarie, kann ich heute Nachmittag bei dir bleiben, Mutter braucht mich nicht«, sagte es bescheiden.
    Annemarie schoß das Blut in das Gesicht. Sie wollte die Trude nicht gern verletzen, aber – das war doch wirklich unmöglich!
    Trude, der ihr Zögern nicht entging, bemerkte jetzt erst den festlichen Tisch mit den sechs Tassen.
    »Ach, du bekommst Besuch – entschuldige, das wußte ich nicht. Da will ich dich natürlich nicht stören«, freundlich nickte sie ihr noch einmal zu und zog sich ebenso bescheiden zurück, wie sie gekommen war.
    Nesthäkchen aber blieb mit einem ganz eigenartigen Gefühl zurück. Es wußte nicht, hatte es recht oder unrecht gehandelt?
    »Es ist doch bloß unser Kriegskind, und ich kann doch meinen Freundinnen nicht zumuten, mit einer, die auf den Höfen gesungen hat, zusammen Kaffee zu trinken«, beschwichtigte Annemarie das lästige Empfinden in ihrem Innern.
    Doch das wollte sich nicht zur Ruhe bringen lassen. Konnte die Trude denn was dafür, daß sie das Kind armer Eltern war? War es nicht anerkennenswert, daß sie in Wind und Wetter gesungen hatte, um für die blinde Mutter den Lebensunterhalt zu verdienen? Und wie freundlich die Trude trotz der Abweisung gewesen war, nicht die Spur beleidigt ... Ach, am Ende war es auch gar nicht so schlimm, daß sie das Kriegskind nicht zum Bleiben aufgefordert hatte! Nesthäkchens sorgloses Wesen bekam wieder die Oberhand.
    Aber es war merkwürdig. So Richtig von Herzen vergnügt, so vor Übermut sprühend, wie sie es sonst war, konnte Annemarie heute nicht im Kränzchen sein. Sobald ihr Blick auf Trudes Winterstrauß fiel, wurden Nesthäkchens lustige Augen ganz ernst und nachdenklich. Was hätte es wohl geschadet, wenn das Kriegskind mit seinem Strickzeug hier unter ihnen gesessen hätte? Und für dasselbe wäre es sicher ein Festtag in dem armseligen Dasein gewesen.
    Das Weihnachtskittelchen für den kleinen Max war soeben fertiggeworden. Nun wurde hin und her überlegt, was man das nächstemal vornehmen wollte. Da sagte Annemarie plötzlich, die sich bisher nicht den Verhandlungen beteiligt hatte: »Wenn Fräulein so gut wäre, uns zu helfen, möchte ich euch bitten, für unser Kriegskind ein Sonntagskleid zu nähen. Trude hat nur das alte ausgewachsene von mir, daß muß sie Wochentags und Sonntags tragen. Was meint ihr dazu?«
    »Ach, Annemarie, solche großes Kleid werden wir nicht zustande kriegen«, gab Margot zu bedenken.
    »Warum denn nicht, da sind die Nähte eben etwas länger«, rief Ilse lustig.
    »Muttchen hat mir ein wunderhübsches Kleid genäht, ganz einfach, die Ärmel wurden gleich angeschnitten; nach dem Muster könnten wir

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