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Nestor Burma in der Klemme

Nestor Burma in der Klemme

Titel: Nestor Burma in der Klemme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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vibrierte.
    Inzwischen hatte ich das eilige junge Mädchen
eingeholt. Als ich ihr buchstäblich auf dem Fuße folgte, donnerten die
Geschosse wie Hagelkörner auf den Boulevard.
    „Sauerei!“ schimpfte ich laut, womit ich den
Hexensabbat der Artillerie übertönte.
    Wie von einer Schlange gebissen, wirbelte das
Mädchen herum. Ich mußte lachen.
    „Ich meine den Krieg im allgemeinen“, erklärte
ich, „und die verdammten Gesetze der Schwerkraft im besonderen! Deswegen kommt
doch der ganze Schrott, der irgendwo abgefeuert wird, wieder auf die Erde
zurück..
    Die Kleine zuckte die Achseln und rannte weiter.
    Sie mochte zwanzig, einundzwanzig Jahre sein.
Wirklich ein hübsches Kind. Aber unter dem dezenten Make-up schien sie etwas
blaß um die Nase. Und in ihren großen braunen Augen mit den herrlichen Wimpern
hatte ich einen Schimmer von Angst entdeckt. Wahrscheinlich schlug ihr der Bombenalarm
auf den Magen, was ihrer Schönheit jedoch keinen Abbruch tat.
    Im Schweinsgalopp erreichten wir die Rue
Lecourbe. Plötzlich tauchten ein Flic und ein älterer Mann vom Zivilschutz mit
einem zu großen Helm vor uns auf. Wie zwei Sprungteufelchen aus der Schachtel!
Der Ordnungshüter pfiff wie wild auf einer kleinen Trillerpfeife herum. Als er
uns erblickte, nahm er das Ding aus dem Mund und schrie uns an:
    „In den Luftschutzkeller, los! Um Himmels
willen! Sind Sie taub? Hören Sie nicht, daß es höchste Zeit ist?“
    „Schon gut“, beruhigte ich ihn. „Regen Sie sich
ab! Luftschutzkeller, haben Sie gesagt? Genau so was such ich! Wo ist denn der
nächste?“
    „Da, verdammt nochmal!“ brüllte er und zeigte
auf ein Haus, das sich kaum zwei Schritte von uns entfernt befand.
    Gehorsam ging ich zu dem Eingang.
    „Sie auch, Madame.“
    Das war nicht die Stimme des Polizisten, sondern
die des Alten vom Zivilschutz. Sie klang etwas höflicher, aber ebenso bestimmt.
Ich drehte mich um. Das junge Mädchen war meinem Beispiel nicht gefolgt,
sondern hatte offenbar die Absicht, ihren Weg fortzusetzen. Leider — für sie —
verstand man in diesem Arrondissement keinen Spaß in Bezug auf die
Vorschriften. Vielleicht deshalb, weil wir uns ganz in der Nähe eines
Ministeriums befanden. Jedenfalls versperrten die beiden Männer der aufsässigen
jungen Frau den Weg.
    „Aber...“, stammelte sie, „ich verpasse meinen
Zug... und...“
    Ihre Stimme war sanft, melodisch, ein wenig
verängstigt... oder beunruhigt.
    „Das interessiert mich nicht“, unterbrach sie
der Flic.
    Der Alte schüttelte bekräftigend den Kopf. Um
ein Haar wär der Helm im Rinnstein gelandet, aber der Mann riß seine Hand hoch
und hielt ihn fest.
    „Los, in den Keller“, sagte er.
    Die junge Frau trat einen Schritt vor und
versuchte, die Männer zur Seite zu drängen.
    „Sie sollen da reingehn“, wiederholte der Flic.
    „Aber, Monsieur...“ flehte sie, „hören Sie,
ich... weil...“
    „Gehen Sie jetzt in den Luftschutzkeller oder
nicht?“
    Der Höllenlärm in der Luft machte den Flic
rasend. Er legte seine große Pranke auf die Schulter des Mädchens.
    „Wenn Sie nicht sofort da reingehen, nehm ich
Sie mit aufs Revier!“ brüllte er.
    Die Leute, die sich in den Flur des
Luftschutz-Hauses geflüchtet hatten, verfolgten neugierig die Szene. Ein altes
Weib flüsterte halblaut:
    „Der macht das, der Flic! Wär nicht das erste
Mal. Also der... wirklich!“
    Das junge Mädchen fügte sich. Lächelnd machte
ich Platz für sie. Sie trat in den Hausflur, würdevoll, mit abweisendem Gesicht.
    „Ziemlich ungemütlich, der böse Mann, was?“
bemerkte ich lachend.
    Sie schenkte mir keinen Blick. Wie eben auf dem
Boulevard zuckte sie nur verächtlich die Achseln. Wir führten eine recht
einseitige Unterhaltung...
    Das Flakfeuer wurde heftiger. Ein richtiger
Geschoßhagel ging auf die Straße nieder. Eine Explosion ganz in der Nähe ließ
die Conciergesloge erzittern.
    Gefolgt von dem Zivilschützer mit dem
schwankenden Hut, kam der Flic zu uns in den Flur. Obwohl er Sieger geblieben
war, hatte er die Widerspenstigkeit der jungen Frau noch nicht verdaut.
    „Na?“ sagte er lachend in ihre Richtung. „Meinen
Sie, das ist die richtige Zeit für einen Stadtbummel?“
    Triumphierend sah er in die Runde der Anwesenden
und fügte hinzu:
    „Und was machen Sie noch hier oben? Sind Sie
lebensmüde? Gehen Sie in den Keller, um Himmels willen!“
    Wie um ihm recht zu geben und seinen Worten den
nötigen Nachdruck zu verleihen, knallte es wieder ganz in der Nähe.

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