Neue Bündnisse
anderem als einer anderen Weisen Frau gestatten, sie die Haltung verlieren zu sehen. Alarys hörte auch auf, über ihr Haar zu streichen, das sie über die Schulter gelegt hatte. Offensichtlich erkannte keine von ihnen den Mann. Sevanna aber glaubte ihn zu erkennen.
Er betrachtete sie ernst mit seinen grünen Augen, die weitaus älter wirkten als sein glattes Gesicht. Er besaß volle Lippen, aber um seinen Mund lag ein Zug, als hätte er vergessen, wie man lächelt. »Ich bin Kinhuin von den Meradin. Die Jumai sagen, wir dürften diesen Platz nicht gleichermaßen benutzen, weil wir keine Jumai sind, aber der wahre Grund ist, daß nur halb so viele Jumai wie Algai d'siswai hier sind. Die Bruderlosen bitten um Eure Meinung, Weise Frauen.«
Jetzt, da sie wußten, wer er war, konnten einige ihr Mißfallen über die Männer, die Clan und Septime aufgaben, um lieber zu den Shaido zu gehen als zu Rand al'Thor - ein Feuchtländer und kein wahrer Car'a'carn, wie sie glaubten -, nicht verbergen. Tions Gesicht wurde einfach ausdruckslos, aber Rhiales Augen funkelten, und Meira wollte die Stirn runzeln. Nur Modarra zeigte Anteilnahme, aber sie hätte andererseits auch versucht, einen Streit zwischen Baummördern zu schlichten.
»Diese sechs Weisen Frauen werden ein Urteil fällen, nachdem sie beide Seiten gehört haben«, belehrte Sevanna Kinhuin mit ebenbürtigem Ernst.
Die anderen Frauen sahen sie an und verbargen ihre Überraschung darüber, daß sie auf eine Entscheidung verzichten wollte, nur ungenügend. Sie hatte es arrangiert, daß zehnmal so viele Mera'din die Jumai begleiteten, wie mit jeder anderen Septime gezogen waren. Sie hatte tatsächlich Caddar im Verdacht gehabt, wenn auch nicht für das, was er getan hatte, und sie hatte so viele Speere bei sich haben wollen wie möglich. Außerdem konnten sie jederzeit statt der Jumai sterben.
Sie heuchelte Überraschung über die Überraschung der anderen. »Es wäre nicht gerecht, wenn ich Partei ergriffe, da meine eigene Septime darin verwickelt ist«, belehrte sie die anderen Frauen, bevor sie sich wieder dem grünäugigen Mann zuwandte. »Sie werden gerecht urteilen, Kinhuin. Und ich bin sicher, daß sie für die Mera'din sprechen werden.«
Die anderen Frauen sahen sie finster an, bevor Tion Kinhuin jäh bedeutete vorauszugehen. Er mußte seinen Blick von Sevanna losreißen, um der Aufforderung nachzukommen. Sie beobachtete mit leisem Lächeln - er hatte sie angesehen, nicht Someryn -, wie sie in der Menge der Leute auf dem Gelände des Gutshauses verschwanden. Auch wenn sie die Bruderlosen nicht mochten und sie dem Mann gegenüber Voraussagen über ihre Entscheidung äußerte, bestand die Möglichkeit, daß sie tatsächlich so entscheiden würden. Wie auch immer - Kinhuin würde sich erinnern und es den anderen seiner sogenannten Gemeinschaft mitteilen. Sie hatte die Jumai bereits in der Tasche, aber alles, was die Mera'din an sie band, war ebenfalls willkommen.
Sevanna wandte sich um und schritt wieder auf den Wald zu, nicht auf die Stallungen. Jetzt, da sie allein war, konnte sie sich um etwas weitaus Wichtigeres kümmern als um die Bruderlosen. Sie tastete nach etwas, das sie unten in ihre Bluse gesteckt hatte, wo ihre Stola es verbarg. Sie hätte es gespürt, wenn es auch nur um Haaresbreite verrutscht wäre, aber sie wollte seine glatte Länge mit den Fingern spüren. Keine Weise Frau würde es mehr wagen, sie niedriger einzustufen als sich selbst, wenn sie dies erst benutzt hatte - vielleicht schon heute. Und eines Tages würde es ihr Rand al'Thor verschaffen. Immerhin könnte Caddar, wenn er einmal gelogen hatte, auch in anderer Hinsicht gelogen haben.
Galina Casban sah die Weise Frau, die sie abschirmte, durch einen Tränenschleier an. Als wäre der Schild der schlanken Frau nötig gewesen. Im Moment hätte sie nicht einmal die Quelle umarmen können. Zwischen zwei Töchtern des Speers mit gekreuzten Beinen auf dem Boden sitzend, richtete Belinde ihre Stola und lächelte dünn, als kenne sie Galinas Gedanken. Sie hatte ein schmales, fuchsähnliches Gesicht, und ihr Haar und die Augenbrauen waren von der Sonne fast weiß gebleicht. Galina wünschte, sie hätte ihren Schädel zerschmettert, anstatt sie nur geschlagen zu haben.
Es war kein Fluchtversuch gewesen, nur Ausdruck größerer Enttäuschung, als sie ertragen konnte. Ihre Tage begannen und endeten mit zunehmender Erschöpfung. Sie konnte sich nicht erinnern, wie lange es her war, daß man sie in
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