Neue Bündnisse
betrachtete sie aus grauen Augen mit stetem Blick. Sie war fast einen Kopf kleiner als Someryn und dennoch größer als Sevanna. Und doppelt so breit. Ihr rundes Gesicht erschien häufig sanft, was aber täuschte. »Sie haben recht, wenn sie sich fürchten«, sagte sie mit kalter Stimme. »Ich habe auch Angst und schäme mich nicht dafür. Die Seanchaner sind sehr zahlreich, wenn sie wirklich Amador allein eingenommen haben, und wir sind nur wenige. Ihr habt Eure Septime um Euch, Sevanna, aber wo ist meine Septime? Euer Feuchtländer-Freund Caddar und seine zahme Aes Sedai haben uns durch seine Öffnungen in der Luft zum Sterben geschickt. Wo sind die übrigen Shaido?«
Rhiale stellte sich herausfordernd neben Tion, und Alarys, die selbst jetzt mit ihrem schwarzen Haar spielte, um Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, schloß sich ihnen ebenfalls rasch an. Oder vielleicht tat sie es deshalb, um nicht Sevannas Blick begegnen zu müssen. Kurz darauf stellte sich auch eine stirnrunzelnde Meira dazu, und dann auch Modarra. Man hätte Modarra als schlank bezeichnen können, wenn sie nicht noch größer als Someryn gewesen wäre, weshalb man sie bestenfalls mager nennen konnte. Sevanna hatte geglaubt, Modarra ebenso fest unter Kontrolle zu haben wie die Ringe an ihren Fingern.
Ebenso fest unter Kontrolle wie... Someryn sah sie an, seufzte, schaute zu den anderen und trat dann langsam zu ihnen.
Sevanna blieb ganz am Rande des Lichtkreises der Laterne stehen. Von allen durch die Tötung Desaines an sie gebundenen Frauen traute sie diesen am meisten. Nicht, daß sie überhaupt jemandem sehr weit vertraute. Aber bei Someryn und Modarra war sie sich sicher gewesen, daß sie so unverbrüchlich zu ihr gehörten, als hätten sie den Wassereid geschworen, ihr überallhin zu folgen. Und jetzt wagten sie es, sich ihr mit anklagendem Blick entgegenzustellen. Selbst Alarys schaute von der Beschäftigung mit ihrem Haar auf.
Sevanna begegnete ihren Blicken mit kühlem, fast höhnischem Lächeln. Jetzt, so beschloß sie, war nicht der richtige Zeitpunkt, sie an das Verbrechen zu erinnern, das ihre Schicksale zusammenschweißte. Nicht der Knüppel, nicht dieses Mal. »Ich habe schon geargwöhnt, daß Caddar versuchen könnte, uns zu betrügen«, sagte sie statt dessen. Rhiales blaue Augen weiteten sich bei dem Eingeständnis, und Tion öffnete den Mund. Sevanna fuhr fort, ohne ihnen Zeit zu einem Einwand zu lassen. »Wärt Ihr lieber in Brudermörders Dolch geblieben, um vernichtet zu werden? Um von vier Clans, deren Weise Frauen wissen, wie man jene Öffnungen ohne Reisekammern gestaltet, wie Tiere gejagt zu werden? Statt dessen befinden wir uns im Herzen eines reichen, milden Landes, das sogar noch reicher ist als die Länder der Baummörder. Seht nur, was wir uns in nur zehn Tagen angeeignet haben. Wieviel mehr werden wir uns in einer Stadt der Feuchtländer aneignen? Ihr fürchtet die Seanchaner wegen ihrer Überzahl? Erinnert Euch daran, daß ich alle Weisen Frauen der Shaido bei mir habe, welche die Macht lenken können.« Sie dachte jetzt nur noch selten daran, daß sie selbst die Macht nicht lenken konnte. Dieser Mangel würde bald behoben sein. »Wir sind ebenso stark wie jede Streitkraft, welche die Feuchtländer gegen uns entsenden können. Selbst wenn sie fliegende Eidechsen besitzen.« Sie schnaubte geräuschvoll, um ihrer Meinung darüber noch mehr Nachdruck zu verleihen. Niemand von ihnen hatte schon fliegende Eidechsen gesehen und auch keiner der Kundschafter, aber fast alle Gefangenen hatten diese lächerlichen Geschichten erzählt. »Wir werden uns dieses Land aneignen, sobald wir die anderen Septimen gefunden haben. Das ganze Land! Wir werden den Aes Sedai zehnfache Wiedergutmachung abringen. Und wir werden Caddar finden und ihn im Tod um Gnade winseln lassen.«
Das hätte sie alle wieder überzeugen, ihre Herzen beruhigen müssen, wie sie es schon früher getan hatte. Aber nicht eine Miene änderte sich. Nicht eine.
»Und da ist der Car'a'carn«, sagte Tion ruhig. »Es sei denn, Ihr hättet Euren Plan aufgegeben, ihn zu heiraten.«
»Ich habe nichts aufgegeben«, erwiderte Sevanna verärgert. Der Mann - und was noch wichtiger war, die Macht, die mit ihm einherging - würde eines Tages ihr gehören. Irgendwie. Was auch immer dafür nötig war. Sie fuhr mit ruhigerer Stimme fort. »Rand al'Thor ist jetzt wohl kaum von Bedeutung.« Zumindest nicht für diese blinden Dummköpfe. Wenn sie ihn in ihrer Hand hätte, wäre
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