Neuromancer
sich als unbegründetes Gerücht erweist, alter Knabe, dann schau in 'ner Woche oder so wieder bei mir rein. Hab 'ne kleine Info für dich von Singapur.«
»Vom Nan Hai Hotel, Bencoolen Street?«
»Loses Mundwerk, alter Knabe!« Deane grinste. Der Schreibtisch war
vollgepackt mit einem Vermögen an Entstörgeräten.
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»Bis dann, Julie! Ich grüß Wage von dir.«
Deane griff prüfend an den perfekten Knoten seiner Seidenkrawatte.
Er war noch keinen Block von Deanes Büro entfernt, als es einschlug, das plötzliche zellulare Bewußtsein, daß jemand ihm auf den Fersen, dicht auf den Fersen war.
Die Kultivierung einer gewissen harmlosen Paranoia war für Case eine Gegebenheit. Das Kunststück bestand darin, sie in Schach zu halten. Aber das konnte ein ganz schönes Kunststück sein mit einer Ladung Oktagon.
Er kämpfte gegen die Adrenalinausschüttung, verbarg seine schmalen
Züge hinter einer gelangweilten, leeren Maske und tat so, als ließe er sich von der Menge mitschleifen. Als er ein verdunkeltes Schaufenster entdeckte, zwang er sich, davor stehenzubleiben. Es war eine Chirurgie-Boutique, zwecks Renovierung geschlossen. Die Hände in den Jackentaschen vergraben, starrte er durch die Scheibe auf eine flache Raute von laborer-zeugtem Fleisch auf einem aufwendig gearbeiteten Postament aus falscher Jade. Die Farbe der Haut erinnerte ihn an eine von Zones Huren; sie war mit einer leuchtenden Digitalanzeige, gespeist von einem subkutanen Chip, tätowiert. Warum eine Operation auf sich nehmen, fragte er sich unwillkürlich, während ihm der Schweiß aus den Rippen brach, wenn man das Ding ebensogut in der Tasche herumtragen kann?
Ohne den Kopf zu bewegen, hob er den Blick und musterte in der spiegelnden Scheibe die vorüberziehende Menge.
Da.
Hinter Matrosen in kurzärmeligem Khaki. Dunkles Haar, verspiegelte
Brille, dunkle Kleidung, schlank...
Und weg.
Nun rannte Case geduckt im Zickzack durch die Menge.
»Vermietest mir 'ne Knarre, Shin?«
Der Junge lächelte. »Zwei Stunden.« Sie standen zusammen im Geruch
von frischen, rohen Meeresfrüchten hinter einer Sushi-Bude10 in Shiga. »Du in zwei Stunden zurücksein.«
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Sushi = jap. Reisgericht. - Der Übers.
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»Ich brauch sie sofort, Mann. Hast jetzt was?«
Shin wühlte hinter leeren Zwei-Literdosen, die Meerrettichpulver ent—halten hatten. Er zog ein schmales, in graue Plastikfolie gewickeltes Bündel hervor. »Taser11. Die Stunde dreißig Neue Yen. Dreißig Kaution.«
»Scheiße. Das nützt mir nichts. Ich brauch 'ne Knarre, um vielleicht jemand zu erschießen, kapiert?«
Der Junge hob die Schultern und verstaute das Bündel hinter den Meer—rettichdosen. »Zwei Stunden.«
Er ging in den Laden, ohne sich die Mühe zu machen, die ausgestellten Shuriken zu betrachten. Er hatte noch nie mit einem geworfen.
Er kaufte zwei Päckchen Yeheyuan mit einem Mitsubishi Bank-Chip, der seinen Namen als Charles Derek May angab. Der Chip, der beste, der ihm als Paß gelungen war, schlug Truman Starr.
Die Japanerin hinter dem Terminal sah aus, als hätte sie ein paar Jahre vom alten Deane, allerdings ohne wissenschaftliche Absicherung. Er zog eine schmale Rolle mit Neuen Yen aus der Tasche und zeigte sie ihr. »Willl 'ne Waffe kaufen.«
Sie deutete auf eine Vitrine voller Messer.
»Nein«, sagte er. »Ich mag keine Messer.«
Sie holte eine längliche Schachtel unter der Ladentheke hervor. Der
Deckel aus gelbem Karton war bedruckt mit einer stilisierten eingerollten Kobra mit gespreiztem Nacken. In der Schachtel lagen acht gleiche, einge—wickelte Zylinder. Er beobachtete, wie die fleckigen, braunen Finger einen davon aus dem Papier schälten. Sie hielt das Ding zur Begutachtung hoch, ein mattes Stahlrohr mit einem Lederriemchen an einen und einer kleinen, bronzenen Pyramide am ändern Ende. Sie umfaßte das Rohr mit einer Hand, nahm die Pyramide zwischen Daumen und Zeigefinger der anderen Hand und zog. Drei geölte, ausziehbare Spiralfedern schossen tele—skopartig hervor und schnappten zu.
»Kobra«, sagte sie.
Ober den Neonfluten von Ninsei hatte der Himmel einen schlichten
Grauton. Die Luft war schlechter geworden; an diesem Abend schien sie 11
Taser = Warenzeichen; eine Handwaffe zum Abfeuern von Pfeilen, die mit einem langen, stromführenden Draht verbunden sind und vorübergehend kampfunfähig machen. - Der Übers.
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Zähne zu haben. Die Hälfte der Menge trug Atemschutzmasken. Case hatte zehn Minuten in einem Pissoir
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