Nevada Pass
gelegene östliche Einfahrt zum Pass: Noch war nichts zu sehen. Plötzlich streckte der zweite Indianer die Hand aus und berührte White Hands Schulter. Beide Männer wandten die Köpfe und lauschten: In der Ferne war schwach, aber unverkennbar das Schnaufen und Keuchen einer Lokomotive zu hören. White Hand sah seinen Gefährten kurz an und nickte.
Deakin griff in seinen Mantel und zog die beiden Sprengkapseln hervor, die er im Versorgungswaggon eingesteckt hatte. Die eine Kapsel legte er behutsam in die Werkzeugkiste, die andere behielt er in der Hand und drehte langsam das Dampfventil zu. Augenblicklich verringerte der Zug seine Geschwindigkeit.
O'Brien fuhr hoch, eilte ans Fenster, wischte hastig das Kondenswasser ab und blickte hinaus. Im nächsten Augenblick war er bei Pearce und rüttelte ihn wach:
»Aufwachen! Aufwachen! Wir halten. Nathan, wo sind wir hier?«
»Am Nevada Pass.« Die beiden Männer sahen einander fragend an. Fairchild kam schlaftrunken auf die Beine, trat ans Fenster und fragte verängstigt: »Was hat dieser Satan nun schon wieder vor?«
Er brauchte nicht lange auf die Antwort zu warten: Als der Zug fast ganz zum Stehen gekommen war, zündete Deakin die Sprengkapsel in seiner Hand und schleuderte sie rechts aus dem Führerhaus. Im gleichen Augenblick trat Claremont auf der linken Seite auf die Eisentreppe hinaus, die vom Führerhaus hinunter führte. Pearce, O'Brien, Fairchild und Henry wichen vom Fenster zurück und rissen die Hände hoch, als plötzlich ein greller Lichtschein die Dunkelheit zerriß und gleich darauf der kurze scharfe Knall einer Explosion ertönte. Die Scheibe blieb ganz, und nach ein oder zwei Sekunden drängten sie sich wieder vor dem Fenster. In der Zwischenzeit hatte sich Claremont auf der linken Seite aus dem Führerhaus fallen und die kurze Böschung hinabrollen lassen. Das weiße Laken erwies sich als vollendete Tarnung. Deakin öffnete das Dampfventil.
Die Verwirrung der vier Männer am Fenster war weit geringer als die von White Hand und seinem Gefährten. Der Häuptling sagte unsicher: »Es kann sein, daß unsere Freunde uns ihre Ankunft mitteilen wollten. Da! Sie fahren weiter!«
»Ja. Und ich sehe noch etwas.« Der andere Indianer sprang auf. »Die Truppenwaggons! Die Waggons mit den Soldaten sind nicht da!«
»Geh in Deckung, du Narr!« White Hand machte im Augenblick nicht im entferntesten den Eindruck eines souveränen Häuptlings: fassungslos starrte er den Zug an, dessen Lokomotive eindeutig nur drei Waggons zog.
»Woher zum Teufel soll ich wissen, was er vorhat?« fuhr O'Brien den Gouverneur an.
»Ich bin außerstande, die Pläne eines Wahnsinnigen zu durchschauen.«
Fairchild sagte: »Sie könnten aber versuchen, es herauszufinden, oder?«
Pearce hielt Fairchild einen seiner Revolver hin: »Wissen Sie was, Gouverneur: Sie finden es heraus!«
Der Gouverneur nahm die Waffe. In diesem Augenblick war er eindeutig nicht bei Sinnen. »Das werde ich auch, verlassen Sie sich darauf!«
Er ging mit der Waffe in der Hand nach vorn, öffnete die vordere Tür des ersten Waggons einen Spalt und spähte hinaus. Eine Sekunde später ertönte ein Revolverschuß, und knapp zwanzig Zentimeter neben seinem Kopf schlug eine Kugel in die Wand des Waggons. Fairchild zog sich eiligst zurück und schlug die Türe hinter sich zu: Er hatte seine fünf Sinne jetzt eindeutig wieder beieinander. Am ganzen Leibe zitternd kehrte er in das Speiseabteil zurück.
»Nun, was haben Sie herausgefunden?« fragte Pearce höhnisch.
Der Gouverneur schwieg. Er knallte die Waffe auf den Tisch und griff nach der Whiskyflasche.
In der Lokomotive fragte Deakin: »Wer war's?«
»Mein Onkel.« Marica betrachtete voller Abscheu den immer noch rauchenden Colt.
»Getroffen?«
»Nein.«
»Schade.«
Claremont kroch, immer noch in seinen weißen Tarnanzug gehüllt, langsam bis zum oberen Rand der kurzen Böschung und wagte einen kurzen Blick auf die andere Seite. Der Zug war fast einen Kilometer weiter gefahren. Der Colonel suchte mit den Augen das Flußbett ab, in dem wie am Hang überall Felsbrocken herumlagen, konnte aber kein Anzeichen für die Anwesenheit von Menschen entdecken. Aber das überraschte ihn nicht. White Hand war viel zu erfahren, um seine Gegenwart vorzeitig zu verraten. Claremont blickte über das Tal zu dem fernen Kieferngehölz hinüber. Wenn Deakin recht hatte und Pferde in der Nähe waren, dann wurden sie dort verborgen gehalten, und Claremont stellte Deakins
Weitere Kostenlose Bücher