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Nevada Pass

Nevada Pass

Titel: Nevada Pass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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Scharfsinn nicht länger in Frage. Es würde schwierig sein, sich den Bäumen zu nähern, aber nicht unmöglich: Ein schmaler, abzweigender Flußarm führte bis an den Rand des Gehölzes, und wenn es ihm gelang, die Sohle dieses ausgetrockneten Grabens ungesehen zu erreichen, dann müßte er für die restliche Strecke eigentlich geschützt sein. Das einzige Risiko lag in der Überquerung des Schienenstranges. Claremont war schon zu lange Soldat, um irgendwelche Gefahrenmomente zu übersehen, aber im Endeffekt beurteilte er seine Chancen, unbemerkt über die Schienen zu kommen, doch als recht gut: Die Aufmerksamkeit des oder der Wachtposten bei den Pferden würde sich nahezu sicher auf den Zug und die versteckten Pajute konzentrieren, und die waren links von ihm und mindestens einen Kilometer entfernt. Darüber hinaus war es immer noch nicht ganz hell, und es schneite nach wie vor. Claremont verlor keine Zeit: Auf Ellbogen und Knien machte er sich daran, die Schienen zu überqueren.
    Deakin drosselte das Dampfventil. Marica warf ihm von ihrem Beobachtungsposten am hinteren Ende des Tenders einen kurzen Blick zu. »Halten wir an?«
    »Wir fahren nur langsamer.« Er deutete auf die rechte Seite des Führerhauses. »Kommen Sie her und legen Sie sich hier auf den Boden.«
    Zögernd kam sie näher. »Sie meinen, es wird geschossen?«
    »Zu erwarten, daß sie mit Rosenblättern werfen, wäre wohl etwas unrealistisch.«
    Der Zug kroch jetzt nur noch etwa mit fünfzehn Stundenkilometern dahin, aber es war offenkundig, daß er nicht anhalten würde. Das Gesicht des Indianerhäuptlings drückte erst Verwirrung, dann Erbitterung und zuletzt ausgesprochene Wut aus.
    »Diese Narren!« tobte er. »Diese Narren! Warum halten Sie nicht an?« Er sprang auf und winkte. Der Zug fuhr weiter. White Hand schrie seinen Kriegern zu, ihm zu folgen. Sie verließen ihre Verstecke und rannten stolpernd den Hang hinunter, so schnell das unebene und schneebedeckte Gelände es zuließ. Deakin öffnete das Dampfventil etwas weiter.
    Wieder blickten O'Brien, Pearce, der Gouverneur und Henry fassungslos aus dem Fenster. Pearce sagte: »White Hand! White Hand und seine Krieger! Was hat das zu bedeuten?« Er rannte zur hinteren Plattform, und die anderen folgten ihm dicht auf den Fersen. Als sie angekommen waren, begann der Zug langsamer zu fahren.
    Fairchild sagte: »Wir könnten abspringen. White Hand könnte uns Deckung geben und –«
    »Idiot!« Wieviel Respekt Pearce einstmals für den Gouverneur seines Staates auch empfunden haben mochte – inzwischen war er jedenfalls auf den Nullpunkt gesunken. »Das ist hier doch genau das, was er will! Bis Fort Humboldt ist es von hier immer noch ganz schön weit.« Er winkte und deutete auf die Lokomotive. White Hand winkte zurück, drehte sich um und schrie einen Befehl. Augenblicklich richtete sich eine größere Anzahl von Gewehren auf das Führerhaus.
    Deakin warf sich auf den Boden und der Kugelhagel traf lediglich die Lokomotive. In der anschließenden Feuerpause riskierte er einen kurzen Blick durch die Tür des Führerhauses: Die Indianer luden im Laufen ihre Gewehre nach. Deakin öffnete das Dampfventil wieder ein wenig weiter.
    O'Brien fühlte sich zunehmend unbehaglich. »Was zum Teufel hat der Bursche nur vor? Er könnte sie leicht hinter sich lassen, wenn er –«
    Er und Pearce starrten einander an.
    Claremont, der das Wäldchen unbemerkt erreicht hatte, glitt lautlos zwischen den Bäumen hindurch und schlich sich in einem großen Bogen von hinten an sein Ziel heran: Die Wachen standen am unteren Rande des Gehölzes und beobachteten die Geschehnisse auf der anderen Talseite. Claremonts unerbittlicher Gesichtsausdruck zeigte deutlich, daß der Colonel nicht die geringsten Skrupel hatte, die ahnungslosen Männer von hinten zu erschießen – keiner von ihnen hatte auch nur den geringsten Anspruch auf faire Behandlung.
    Alles in allem waren es ungefähr sechzig Pferde, und keines von ihnen war angekoppelt oder angebunden – die Ponys der Indianer waren genauso gut dressiert wie die der US-Kavallerie. Claremont suchte die drei besten Pferde heraus und näherte sich ihnen langsam – alle anderen würde er in die Flucht jagen. Sie wieherten nicht, und nur einige warfen ihm uninteressierte Blicke zu.
    Die beiden Wachtposten standen unten vor dem Wäldchen und waren von dem Feuergefecht, das fast zwei Kilometer von ihnen entfernt auf der anderen Seite des Tales stattfand, so gefesselt, daß

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