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Neverwake

Neverwake

Titel: Neverwake Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meissner
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will, ist, daß es doch zwei verschiedene Arten von Schmerz gibt. Zum Beispiel beim Zahnarzt. Du haßt es doch auch, zum Zahnarzt zu gehen, jeder haßt das. Ist ja auch wirklich widerlich, allein schon dieser Geruch und die Geräusche. Aber man geht trotzdem hin. Man muß nicht hingetragen oder hingezerrt werden, nein, man watschelt freiwillig zum Onkel Doktor und läßt sich mit einem elektr i schen Bohrer in der Fresse rumrühren, bis man Blut spuckt. Klingt doch krank. Aber es ist nicht krank. Denn warum tut man das? Weil man weiß, daß es einem hinterher besser geht als vorher, daß man zwar Schmerzen erleiden muß, diese Schmerzen aber wirklich … gutartig sind, weil der Arzt eben helfen will, so gut er kann, weil es sein erklärtes Ziel ist, Krankes gesund zu machen. Man ist also in guten Händen beim Zahnarzt, auch wenn diese Hände einem wehtun, aber es sind letzten Endes helfende Hände, und deshalb geht man dorthin. Deshalb hat man auch überhaupt erst die Kraft, mit den Schmerzen klarzukommen.
    Aber hast du jemals über Folter nachgedacht? Das Schlimme an einer Folter sind doch gar nicht die eigentlichen Schmerzen. Ich bin fest überzeugt davon, daß du, wenn dir erstmal soun d soviel Quadratzentimeter deiner Haut vom Fleisch geschabt wurden, irgendwann überhaupt nichts mehr spürst. Das Schlimme, das wirklich Schlimme an einer Folter ist doch, daß man sich in den Händen von Leuten befindet, denen es schei ß egal ist, ob man danach jemals wieder wird gehen können, oder sprechen, oder mit einer Frau schlafen, oder wie man danach für den Rest seines Lebens aussehen wird. Ich meine, du sitzt dann da, so wie jetzt, an einen Stuhl gefesselt, und dann ko m men Leute rein, Leute wie diese beiden Arschgeigen, die dich bereits in der Mangel hatten, und gießen dir plötzlich heißes Öl über den Kopf oder halten dir Stromkabel an deinen Körper oder hauen dir einen Hammer auf die Hoden oder machen sonst irgendwas Entsetzliches, was ich jetzt nicht mal schildern könnte – und die ganz Zeit über weißt du ganz genau, daß dies kein Schmerz ist, der zu deinem Besten ist, sondern daß er dich brechen soll, dich kaputtmachen, und daß du hinterher wah r scheinlich nie wieder derselbe sein wirst, der du vorher warst. Das ist das eigentlich Schreckliche daran. Und … und … nah … nah … hahtschhhh … ahhhhh, entschuldige, das ist der verdammte Heuschnupfen, der … hahtschhh … ahhh, der läßt mir diesen Herbst selbst hier unten keine Ruhe. Ahhh. Ve r dammte Gräserblüherei. Wo war ich stehengeblieben? Ach ja. Das Ü belste an der ganzen Foltersache ist, daß es dann irgen d wann einen Punkt gibt, wo du reden wirst, wo einfach jeder reden würde. Weil das Gehirn einfach irgendwann dicht macht und sagt: »Scheiß auf die Ehre, scheiß auf das Gebot des Schweigens, jetzt ist nur noch der reine Selbsterhaltungstrieb angesagt.« Und dann lallst du und lallst wie ein Wasserfall all das heraus, für dessen Geheimhaltung du dich gerade hast verkrüppeln lassen. Du bist richtig froh, daß du endlich reden kannst, es pladdert nur so aus dir raus, und du erzählst uns wahrscheinlich noch viel mehr, als wir überhaupt wissen wollten. Und das ist das eigentlich Üble an der Folter: daß dir hinterher für den Rest deines Lebens dieses total dämliche Wissen bleibt, daß du die Folter genausogut hättest vermeiden können. Denn die Fragesteller waren gar nicht scharf darauf, dich zu foltern. Sie tun sowas überhaupt nicht gerne. Sie hatten nur deshalb keine andere Wahl, weil du dich geweigert hast zu kooperieren. Ihnen tut ’ s hinterher leid, und dir tut ’ s erst recht leid, und ihr heult alle zusammen – aber mit ein paar simplen, eindeutigen Informationen gleich zu Beginn wäre diese gesa m te Tragik und der angerichtete irreparable Schaden nie passiert. Ist doch Wahnsinn, oder? Wie leicht man es sich machen kann? Und wie schwer manche Menschen sich und anderen das Leben machen? Kannst du dir vorstellen, daß jemand so dumm ist, daß er all diese Tatsachen nicht von vorneherein kapiert?
    Ja wahrscheinlich, vorstellen kannst du dir vieles. Du bist ein Virt, so wie ich. Virts haben eine Menge Phantasie. Aber Virts sind nicht dumm. Keiner deiner Kumpels wäre dumm genug, für dich zu schweigen. Also warum solltest ausgerechnet du alles Unheil auf dich nehmen? Warum sich opfern, warum für andere leiden? Was hat man davon, außer Opfer und Leiden? Kann man sicher sein, nicht vom Spottgelächter derer, für die

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