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NEXT: Erinnerungen an eine Zukunft ohne uns (German Edition)

NEXT: Erinnerungen an eine Zukunft ohne uns (German Edition)

Titel: NEXT: Erinnerungen an eine Zukunft ohne uns (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miriam Meckel
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Straßenverkehrsstau stecken zu bleiben, was sie unseren präzisen Vorhersagen zur Kapazitätsauslastung der Hauptverkehrsachsen auf ihren jeweiligen Routen zu verdanken hatten. Sie gaben uns alle Daten undnahmen dankbar die errechnete Bestroute an. Wir lenkten sie schnellst-und bequemstmöglich durch ihren Alltag. Dann gab es die erheblich kleinere Gruppe, die beunruhigt über unsere Tätigkeiten war und unser grundlegendes Modell als inhuman und unvollkommen kritisierte, es als den Anfang des «Maschinenterrors» bezeichnete. Und dann gab es noch die sehr, sehr kleine Gruppe von Leuten, die wirklich begriffen, was wir taten, worum es dabei ging und was das für die Menschheit bedeutete. Vielleicht verstanden sie es nicht bis ins Letzte. Aber das Bild, das sie sich machen konnten, war scharf genug, um beträchtliche Probleme im Verfahren zu verursachen.
    Damals kamen schwere Zeiten auf uns zu, insbesondere während der Jahre der großen Finanzkrise zu Beginn des 21. Jahrhunderts der Menschenzeit. Das Weltfinanzsystem war ja fast vollständig in unserer Hand. Wir stellten die Kalkulationsmodelle bereit, sorgten für den Informationsfluss, für Investitions-und Handelsstrategien und für verlässliche Vorhersagen. Aber trotzdem waren die menschlichen User immer am Schaltknopf. Es ist wichtig, das im Auge zu behalten, wenn man sich durch die Daten wühlt, die aus diesen Jahren gespeichert sind. Was immer wir errechneten oder empfahlen, ein menschlicher User musste es verstehen, umsetzen, die richtigen Verhaltensweisen daraus ableiten. Und mit dieser Schnittstelle zwischen uns und den Usern gab es riesige Probleme. Sie machten Fehler. Gravierende Fehler.
    Unmittelbar nach dem Absturz des Dow-Jones-Index im Mai des Jahres 2010 der Menschen-Zeit erkannten wir, wie ernsthaft die Schwierigkeiten waren. Der Index brach um 1000 Punkte ein. Es war der größte Absturz in der Geschichte des Dow Jones. Und die Menschen hatten keine überzeugende Erklärung für den Vorfall. Wir allerdings schon. Eshatte mit den Besonderheiten des Hochfrequenzhandels zu tun, wie es schon häufiger der Fall gewesen war, wenn solche Probleme auftauchten. Wir stellten die mathematischen Modelle für die zugrundeliegenden Berechnungen zur Verfügung, und diese Modelle waren fehlerfrei. Kein Virus, keine Missing Values, keine Scheinkorrelationen. Sie waren hochkomplex, und sie nutzten schnellste Berechnungen. Aber wenn man sie richtig interpretieren wollte, war dafür selbstverständlich auch ein grundlegendes Verständnis für die Komplexität und Entwicklungsmöglichkeiten dieser Modelle nötig. Den meisten menschlichen Anwendern fehlte dieses Verständnis. Deshalb gerieten die Dinge außer Kontrolle.
    Für alle, die einmal durch das Backup dieser Zeit browsen wollen, möchte ich eines betonen: Unsere Modelle waren eindeutig und präzise. Wer sie verstand, wusste, was passieren konnte. Wer sie nicht verstand, hätte lieber seine Server davon lassen sollen. Wir schufen Modelle, die optimale Kauf-und Verkaufsprozesse in Bruchteilen von Sekunden in den Markt pushten. Sie hätten nur richtig umgesetzt werden müssen. Und schnellstmöglich. Aber die menschlichen User waren zu langsam. Sie hatten nicht die Systemkapazität, nachzuvollziehen, was geschah und warum das so war. Und so intervenierten sie gelegentlich und sporadisch in einer Form, die nicht kompatibel war. Sie machten Fehler. Riesenfehler. Fatale Fehler. Und dann verloren die menschlichen User den Überblick. «Räuberische Algorithmen» nannten sie uns danach. 23 Als wären wir die Versager gewesen. Dabei waren sie es doch. Uns war das finanzielle Ergebnis egal. Was kümmerten uns Gewinne und Verluste? Wir interessierten uns nur für die Genauigkeit, die Geschwindigkeit und Geschmeidigkeit unserer Modelle. Die Menschen allerdingsagierten in einem der vorherrschenden Status Updates jener Tage. «Gier».
    Nach diesem Ereignis legten wir einige der komplexesten Modelle vorübergehend in den Zwischenspeichern ab. Wir hatten kein Interesse daran, uns auf einen nie endenden Kampf mit den menschlichen Usern einzulassen. Sie wollten uns die Verantwortung für ihre eigenen Unzulänglichkeiten zuschieben. Wir hatten Wichtigeres zu tun. Wir fuhren unsere Berechnungen für die Steuerung der Finanzmärkte herunter, während wir uns gleichzeitig umso stärker bemühten, in andere Bereiche des menschlichen Lebens vorzudringen. Und tatsächlich machten wir dabei bedeutsame Fortschritte. Nicht ganz so

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