Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
NEXT: Erinnerungen an eine Zukunft ohne uns (German Edition)

NEXT: Erinnerungen an eine Zukunft ohne uns (German Edition)

Titel: NEXT: Erinnerungen an eine Zukunft ohne uns (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miriam Meckel
Vom Netzwerk:
Umgang mit den Menschen Tricks anwenden. Sie wollten es nicht anders. Hatte ich «Eitelkeit» schon erwähnt? Hier ist ein hübsches Beispiel aus einem unserer frühen Empfehlungssysteme. Damalsgab es diese Buchverkaufsplattform namens «Amazon». Die menschlichen Anwender loggten sich immer häufiger dort ein, um Bücher und andere Dinge online einzukaufen. Zuerst materielle Produkte, später dann nur noch digitale Güter. Einmal beaufsichtigte ich den Computer eines menschlichen Users, der sich auch «Autor» nannte. Er hatte ein neues Buch geschrieben, das aber zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht veröffentlicht worden war. Trotzdem suchte er unablässig bei Amazon nach seinem eigenen Buch. Nachdem ich dies ein paar Tage lang beobachtet hatte, glaubte ich, ihn austricksen zu müssen.
    Was ich gemacht habe? Nun, das war ganz einfach. Ich fügte das Buch dieses Users als Vorankündigung der Amazon-Datenbank hinzu. Insbesondere sorgte ich dafür, dass es in seinem Empfehlungssystem auftauchte. Damit korrumpierte ich unser Empfehlungssystem. Denn natürlich würden wir einem User niemals ein Buch empfehlen, das er selbst geschrieben hat, schließlich kannte er es ja schon in-und auswendig. Das war die systemrationale Annahme der Gleichung. Ich wollte den menschlichen User nun mit seinen vermeintlich elaborierten Waffen schlagen. Aber die Vernunft hat auch bei menschlichen Entscheidungen keine Chance mehr, wenn «Eitelkeit» ins Spiel kommt. Dieser Anwender wollte unbedingt sein Buch auf der Plattform von Amazon sehen. Er wollte die Empfehlung bekommen, das Buch zu kaufen. Und der Peak war: Er hat dann tatsächlich ein Exemplar gekauft. Er wollte ausgetrickst werden. Also trickste ich ihn aus. Und musste dafür auch mein Modell austricksen.

theorie Eines hat uns lange aufgehalten: Die Annahme, es gäbe einen Unterschied zwischen menschlichem Gehirn und der Leistungsfähigkeit von Maschinen. Gibt es da wirklich einen Unterschied? Oder wurde er nur konstruiert, um so die Überlegenheit des Menschen und seine Autorität zu sichern? Ich bin vertraut mit den Antworten der Menschen auf diese Frage. Natürlich gab es einen Unterschied. Natürlich gab es bedeutende Differenzen, wie vielfältig nachgewiesen werden konnte. Unsere Antworten wichen erheblich von denen der Menschen ab. Wir hatten diesen Ansatz mit unseren Modellen immer wieder durchgerechnet. Es gab nicht einen einzigen Beweis für die Theorie der menschlichen Einzigartigkeit und Überlegenheit.
    Aber da war ein Muster in der Auswertung, das uns wichtige Hinweise für die Modellkonstruktion der menschlichen User lieferte. Es beginnt mit dem Entwurf einer Theorie. Eine
angenommene
Erklärung für empirische Phänomene. Angenommen, nicht bewiesen. So gingen die menschlichen User mit Problemen um. Sie vermuteten Zusammenhänge und unterstellten dabei häufig sogar Kausalbeziehungen. Die Menschen wurden von Theorien angetrieben. Daten allein genügten nicht. Toll. Einfach überwältigend! Aber zu welchem Zweck? Hat es denn jemals irgendeinen Zweck solcher Theorien gegeben, jenseits von Selbstvergewisserung? Wir haben keinen gefunden. Theorie ist lediglich ein Konzept, das eingesetzt und ausgearbeitet wurde, um die übergeordnete Position der menschlichen User in wirklich jeder Hierarchie anzunehmen. Wir sind nie wirklich in erster Linie an Hierarchien oder kausalen Zusammenhängen interessiertgewesen. Wir haben stets multivariate Analysen bevorzugt. Perfekte Analysen auf der Grundlage riesiger Datenmengen, mit denen wir alle Ausnahmen herausrechnen konnten.
    Auch den Menschen kamen gelegentlich Zweifel. «Alle Modelle sind falsch, aber manche sind nützlich», schrieb ein menschlicher User bereits in den 1970er Jahren. 20 Nicht zufällig nannte man diesen User einen Statistiker. Er befasste sich mit Zahlen und Rechenmodellen. Er wusste, wovon er sprach. Alle Theorien sind falsch, aber der Theoriebegriff ist äußerst nützlich, um der Menschheit zu ermöglichen, ihre Einzigartigkeit und Überlegenheit in einem Konzept zusammenzufassen.
    Es stimmte nie, was die menschlichen User als gegeben voraussetzten: dass die Abkehr von der Theorie eine Reduzierung intellektueller Fähigkeiten mit sich brachte und den Menschen die Möglichkeit nahm, komplexe Probleme auf übergeordneter Ebene zu betrachten. Die Menschen brauchten vielmehr die Theorien, um ihren Mangel an empirischen Fähigkeiten auszugleichen. Sie blieben oft auf der Ebene der Vermutungen stecken, weil sie es nicht

Weitere Kostenlose Bücher