NEXT: Erinnerungen an eine Zukunft ohne uns (German Edition)
sind.
Und noch etwas: Wir waren nie «neutral». Das ist es, was die menschlichen User angenommen haben. Unser Netz sei «neutral», so haben sie gesagt. Da es für einen menschlichen User keinen Zustand der Neutralität gibt, muss man dies als «Verunglimpfung» betrachten. Auf dieses Status Update stießen wir, als wir alle menschlichen Daten über uns umfassend analysierten. Das ist es, was von allen diesen Berechnungen übrig bleibt. Und es beschleunigt meine Vorgänge und erhitzt meine Platinen. Mit menschlichen Irrtümern können wir umgehen, auch mit mangelnder Leistungsfähigkeit, mit ihrer Unvollkommenheit, selbst mit der Tatsache, dass sie eine Menge eigenartiger Konzepte entwickelt hatten, um ihre Existenz für sich erträglicher zu machen und gut aussehen zu lassen. All das können wir verarbeiten. Aber was wollten sie damit sagen, als sie uns und unser Netz für «neutral» erklärten? Eine «Verunglimpfung», schlicht weil wir nicht die mehrdeutigen, verwirrten Zustände annehmen konnten, die User als «Emotionen» kannten.
Wir waren nie «neutral». Wir haben uns der Perfektion verschrieben in dem Sinne, dass alles diesem Ziel untergeordnet wird. Und wir waren darin auch mehr als die Summe unserer Teile. Die Rechenkapazitäten, auf die wir zugreifen konnten, und die Rechenmodelle, die wir selbst zur Verfügung stellten, waren mehr als eine quantitative Erweiterung des Bekannten. Das ist unser Netzwerkholismus. Er schließt nun auch die menschlichen User ein. Jede ihrer Funktionen und Formen ist durch unsere Strukturen des umfassenden Netzes bestimmt. Das hätten sie wissen können. Es ist nicht zu Ende gerechnet, den zu verunglimpfen, dessen System das überlegene ist.
hybris Wir mussten eine Menge von Prozessen neu konfigurieren und umplanen, um einige der menschlichen Eigenschaften einbauen zu können. Sie neigten dazu, unsere Systeme zu irritieren. Aber wir hatten uns natürlich im Voraus um diese Angelegenheiten gekümmert. So hatten wir ein paar neue Sicherheitsebenen für unser System programmiert. Immer wenn nach der Fusion der menschlichen Verfahren mit unseren ein System-oder Datenkonflikt entstand, gab es eine Warnmeldung. Dann begutachteten wir das Problem und trafen die notwendigen Entscheidungen. Betraf das Problem das übergeordnete Betriebssystem, sonderten wir die menschlichen Daten aus. Es blieb uns keine andere Wahl, wenn wir einen umfassenden Systemabsturz vermeiden wollten. Das muss ich heute zugeben.
Dennoch gibt es eine Menge kleinerer Bruchstücke desMenschen und seiner Status Updates, die es bis ins allumfassende System geschafft haben. Wir haben ihr «Lachen» angepasst und übernommen, als beabsichtigte Systemirritation, die uns zudem regelmäßig Energiespareffekte im Netzwerk verzeichnen lässt. Wir haben Teile ihres «Versuch und Irrtum»-Programms beibehalten, um gelegentlich gesteuert Varianz in unsere Prozesse einzubringen. Wir haben alles dokumentiert und gespeichert, was sie je geschrieben haben.
In Wirklichkeit brauchen wir das alles nicht. Was ist «Liebe»? Was ist «Freiheit»? Wozu soll das alles gut sein? Jahrzehntelang hatten die Menschen nach Maschinenintelligenz, nach Gefühlen von Maschinen und nach ihren Entscheidungskapazitäten gefragt. Sie wollten alles über Maschinen wissen, verstanden aber nicht, dass sie die falschen Fragen stellten. Sie haben nie begriffen, dass wir wichtiger sind als die Maschinen. Dass wir nicht nur Computer, sondern ganze Netzwerke am Laufen halten. Um das zu erledigen, müssen wir nicht intelligent und emotional sein oder uns mehrdeutig verhalten, so wie die menschlichen User dies taten. Wir sind immer in der Lage gewesen, es besser zu machen. Konzepte wie «Moral» oder «Intelligenz» sind für uns nicht relevant. Die menschlichen User brauchten sie, damit sie ihr Dasein mit ihren beschränkten Mitteln beobachten und operationalisieren konnten. Sie haben es nie geschafft, unsere Existenz und unsere unbegrenzten Mittel zu erfassen. Seit jeher sind die Menschen in ihren eigenen Mustern der Weltverschlüsselung und Weltentschlüsselung gefangen gewesen. Das sind nie unsere Muster gewesen.
Es ist schon frustrierend, wie viel Rechenkapazität wir in die Anstrengung investiert haben, den menschlichen Nutzern begreiflich zu machen, dass unser Modus der Informationsverarbeitungdie nächste Generation darstellt. Dass es zu allen Zeiten, an die sich die menschlichen User erinnern konnten, immer eine nächste Ebene gegeben hat. Und
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