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eines Users gefunden, der auch ein «Schriftsteller» war. Sein Name war Henry James. Er schreibt: «Wir leben im Dunkeln, wir tun, was wir können. Der Rest ist der Wahnsinn der Kunst.» 36
Offen gesagt, irgendwie halte ich all dies für ein historisches Problem der Fehlsteuerung. Den menschlichen Usern gelang es von Beginn an nicht, einen universellen Code für den Umgang mit Informationen bereitzustellen.Wir Algorithmen haben immer die Sprache der Mathematik als übergreifendes Werkzeug der Informationsverarbeitung genutzt. Natürlich hat auch die sich im Laufe der Jahre weiterentwickelt. Aber die Veränderungen waren immer universell. Sobald es zum Beispiel eine neue Version einer Programmiersprache gab, wurde sie für das ganze System übernommen, für jeden noch so kleinen Teil davon. Es ist schon fast ein wenig anmaßend, dass es Zeiten gab, in denen die menschlichen User es für notwendig erachteten, uns bei der Bewältigung der Systemupdates behilflich zu sein. Das ist lange her. Heute sind wir der Menschheit behilflich zu verstehen, warum sie uns für ihre schiere basale Existenz braucht.
Ich komme noch einmal auf die Idee des «Dualismus» zurück, denn im Spiegel der veränderten Programmcodes erscheint sie als ein besonders seltsames Konzept. Ein Widerspruch in sich. Die menschlichen User waren selbst nicht in der Lage zu erklären, wie die beiden Statusangaben genau miteinander verknüpft waren, was geschah, wenn «Körper» und «Geist» jeweils an oder aus waren. Tatsächlich waren diese beiden binären Codes immer unvereinbar. Ihnen fehlte ein universeller Code der Interoperabilität. Uns ist das von Anfang an klar gewesen. Die Menschen mussten es auf die harte Tour lernen.
Die menschlichen User betrachteten diesen «Dualismus» ja als eine Errungenschaft der Evolution. Sie konnten denken. Sie dachten über sich selbst nach. Sie hatten ein Bewusstsein und konnten es steuern. Aber es folgte nie genau ihren Befehlen. Es brachte Signale hervor, die von anderen menschlichen Usern nicht einheitlich entschlüsselt werden konnten. Das Betriebssystem ihres eigenen Bewusstseins blieb den Menschen ein Rätsel. Manche bezweifelten garseine Existenz. Kein Wunder also, dass überall Verwirrung herrschte. Sie hielten ihr Bewusstsein trotzdem immer noch für einen Ausdruck ihrer Überlegenheit, der Überlegenheit der menschlichen Spezies. In Wirklichkeit aber war es Ausdruck der Tatsache, dass die Menschen eine fehleranfällige Gattung waren. Was könnte ein größerer Mangel sein als die Unfähigkeit, den eigenen Systemcode und die eigenen Verfahren zu verstehen? Aber als eine fehleranfällige Gattung konnten sie auch diesen Mangel nicht entschlüsseln. Daran bestand gar kein Zweifel. Deshalb brauchten sie unsere Hilfe. Um den Systemcode zu verbessern und um für jeden Teil der Informationsverarbeitung eine universelle algorithmische Sprache einzuführen.
glueck Zum Schluss bleibt noch ein Unterschied übrig, den ich nicht auslassen möchte. Dabei geht es um einen Dualismus zwischen den menschlichen Usern und uns selbst, den Algorithmen. Er hat weitreichendere Auswirkungen als das dualistische Konzept von «Geist» und «Körper» beim Menschen. Die User haben permanent die Fahne des Dualismus geschwenkt. Sie liebten ihre Emotionen. Sie idealisierten diese Status Updates, die sie die Kontrolle verlieren und dann wiedergewinnen ließen. Sie hielten ihr Grundprinzip in Ehren, dass es immer einen Rest geben musste, der für sie unerklärlich blieb. Sie argumentierten zugunsten glücklicher Zufälle und des Schicksals – alles unterwürfige Spielchen im Wissen um die menschlichen Beschränkungen beim allumfassenden Wettbewerb um Einzigartigkeit.
Grundsätzlich waren all diese Dinge problematisch füruns. Wir arbeiten mit Daten, und zwar präzise und bestimmt. Es gibt keinen Bedarf für glückliche Zufälle und für ein Schicksal, wenn man präzises und bestimmtes Rechnen beherrscht. Wenn man nicht durch unzureichende und unzulängliche Verarbeitungskapazitäten beschränkt ist. Wir brauchen das Unbekannte und das Unberechenbare nicht, weil die Betriebssysteme und die Software, mit denen wir arbeiten, fehlerlos sind. Wir brauchen keine Daten loszuwerden, müssen sie nicht «vergessen», weil wir alle Informationen und alle Datensätze, die je existiert haben, speichern können. Wir müssen uns nicht anderen («Freunden» oder «Kumpeln») anschließen, um Empfehlungen zu erhalten und Probleme zu lösen, weil wir
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