Nextopia
Orangen schmecken, weil sie genau das erwarten), könnte man sagen, dass die Methoden und Gesetzmäßigkeiten der Erwartungsgesellschaft nicht unbedingt besser, aber ganz bestimmt anders sind: Wir führen unser Leben als kommendes Werk, kämpfen für die Verlängerung unserer fünfzehn Millisekunden Ruhm, können uns niemals auf unseren vergangenen Leistungen ausruhen und drängen uns immer dazu, mit unseren nächsten Leistungen besonders herauszuragen. Eine Gesellschaft, in der wir nicht lange glücklich sein können, anscheinend eine dystopische Gesellschaft.
Aber dies ist ein fröhliches Buch. Mithilfe von Sex, Drugs und Rock’n’Roll – fundamental für unsere menschliche Funktionsweise und die Art, sie auszudrücken – und zusätzlicher Unterstützung von iPads über den Simpsons-Film bis hin zu einem Abendessen mit Cameron Diaz werde ich Ihnen am Ende der Lektüre hoffentlich verständlich gemacht haben, warum.
Erwarten Sie eine aufregende Reise!
Episode 1
Willkommen in der Erwartungsgesellschaft
ANALSEX. Was hat Analsex mit dem iPad von Apple, mit Disneys animierten Kinofilm-Autos und dem US-Präsidenten Barack Obama gemeinsam? Antwort: Es sind alles Symptome unserer sich ändernden Verhaltensweisen und einer Evolution, die seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts in den meisten Teilen der Welt stattfindet, zunächst nur als Flüstern, dann kontinuierlich lauter werdend, bis sie während der letzten paar Jahre zu einem Brüllen wurde. Sie sind Markenzeichen der Gesellschaft, in der wir heute leben, und eine Vorschau darauf, wie sich Alltag, Geschäftliches und Liebe in Zukunft entwickeln werden. Sie sind Ausblicke auf die Erwartungsgesellschaft.
Stellen Sie sich vor, Sie hätten heute Abend ein Date. Wie fühlen Sie sich dabei? Höchstwahrscheinlich sind Sie aufgeregt und erwarten die beste Verabredung, die Sie je hatten. In der Erwartungsgesellschaft freuen sich Menschen auf der ganzen Welt auf ein für heute Abend geplantes Rendezvous und eilen in Richtung Nextopia , wo das jeweils nächste Date das beste aller Zeiten ist. Nextopia verspricht uns, dass unsere nächste Verabredung, unser nächster Job, das nächste Produkt, das wir kaufen, das nächste Irgendwas besser sein wird als alles, was wir bisher erlebt haben. In einer Welt, in der buchstäblich alles heute verfügbar ist, steigt unser Interesse an dem, was als Nächsteskommt, und auf unserem Weg nach Nextopia bauen wir Stein für Stein, Erwartung für Erwartung eine Erwartungsgesellschaft auf.
Die Erwartungsgesellschaft bietet zahlreiche Möglichkeiten, um glücklich zu werden. Tatsächlich war es noch nie leichter, Glück zu erfahren. Gleichzeitig war es auch noch nie schwieriger, glücklich zu bleiben. In der Erwartungsgesellschaft lebt ein Drittel aller italienischen Männer noch bei den Eltern. Es ist eine Gesellschaft, in der Erfolg so leicht ist wie nie zuvor, doch es ist schwerer als jemals, erfolgreich zu bleiben. Es ist ein Ort und eine Zeit, in der Andy Warhols Versprechen der »fünfzehn Minuten Ruhm« wie eine Ewigkeit erscheinen. In der Erwartungsgesellschaft ist verheiratet zu sein gleichbedeutend mit »gebunden, aber Ausschau haltend« – wenn man überhaupt verheiratet ist. Es ist eine Gesellschaft, in der man niemals besser ist als mit seinem nächsten Erfolg.
IN DER ERWARTUNGSGESELLSCHAFT STELLT SICH STEVE JOBS vor einer Gruppe ausgewählter Reporter aus aller Welt auf eine Bühne. Es ist der 27. Januar 2010, ein frischer, aber sonniger Mittwochmorgen mitten im Winter. Ein kalter Tag, der die Welt zum Brodeln bringen wird. Stumme Erwartung beherrscht den Raum, als Steve um 9 Uhr Ortszeit die Bühne betritt. Feierlich berichtet er über die Weiterentwicklung des vergangenen Jahres und präsentiert Produktverbesserungen für das iPhone, den letzten großen Wurf des Unternehmens. Etwa eine halbe Stunde lang sitzt das Publikum still da, während Steve die Informationen abspult. Dann lässt er die Bombe platzen. Apple wird ein revolutionäres neues Gerät herausbringen. Während Steve erklärt, es sei »ein fantastisches neues Produkt … eine Mischung aus Laptop und Smartphone«, erscheinen auf der riesigen Leinwand hinter ihm vier Buchstaben, begleitet von Rauch und einem ohrenbetäubenden Knall: iPad. Die anwesenden Journalisten überschütten den Mann auf der Bühne mit Beifall wie religiös Bekehrte. Gleichzeitig rasen auf der ganzen Welt Finger über Tastaturen, um die Neuigkeit wie einen Buschbrand im Internet zu
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