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Nexus

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Titel: Nexus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
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Nest ein Vogel, das süßeste, sanfteste Wesen, das sich denken läßt. ‹Denk ihn aus!› zirpte das Vögelchen. ‹Denk ihn zu Ende.› Und das tat ich. Es war nie eine Anstrengung damit verbunden. Es war wie eine Etüde, die von einem Gletscher abrollt...»
    Als ich die weichen Eier aufschlug, formte sich ein sonderbares Lächeln um meine Lippen. «Was gibt's?» fragte Mona. «Was kommt jetzt, mein verrückter Uhu?»
    «Pferde . Ich denke gerade an Pferde. Am liebsten ginge ich zuerst nach Rußland. Erinnerst du dich an Gogol und die Troika? Du nimmst doch wohl nicht an, er hätte die Stelle schreiben können, wenn Rußland damals schon motorisiert gewesen wäre. Er spricht von Pferden. Hengste waren es. Ein Pferd ist so schnell wie der Wind. Ein Pferd fliegt . Jedenfalls ein feuriges Pferd. Wie hätte Homer die Götter ohne diese feurigen Pferde so rasch hin und her bewegen können? Könntest du dir diese streitsüchtigen göttlichen Herrschaften in einem Rolls-Royce vorstellen? Die Ekstase muß aufgepeitscht werden . . . Und das führt mich zu Scriabin zurück . . . Du hast ihn nicht gefunden, wie? . . . Dazu müßtest du kosmische Ingredienzien, benützen. Außer Armen, Beinen, Hufen, Klauen, Fangzähnen, Mark und Knochengrieß müßtest du noch die Präzision der Tagundnachtgleichen, die Gezeiten mit Ebbe und Flut, die Konjunktionen der Sonne, des Mondes und der Planeten und das Toben der Irrsinnigen zu Hilfe nehmen. Außer Regenbogen, Kometen und Nordlichtern benötigst du Sonnenfinsternisse, Seuchen und Wunder . . . alle möglichen Dinge ... auch Narren, Zauberer, Hexen, Leprakranke, Lustmörder, lüsterne Priester, abgewrackte Monarchen, heiligmäßige Heilige - aber keine Autos, keine Kühlschränke, keine Waschmaschinen, keine Tanks, keine Telegrafenstangen.»
    So ein schöner Frühlingsmorgen! Habe ich nicht von Shelley gesprochen? Zu gut sür seinesgleichen. Oder für Keats oder Wordsworth? Ein Jakob-Böhme-Morgen, das ist die richtige Bezeichnung. Noch keine Fliegen und keine Stechmücken. Nicht einmal die Küchenschabe ist in Sicht. Herrlich. Einfach herrlich. (Wenn sie nur die Scriabin-Platte fände!)
    An einem solchen Morgen muß Johanna von Orleans auf ihrem Wege zum König durch Chinon gekommen sein. Rabelais war leider damals noch nicht geboren, sonst hätte er sie von seiner Wiege am Fenster erspähen können. Ah, die himmlische Aussicht, die man von seinem Fenster hatte!
    Ja, selbst wenn Mac Gregor plötzlich erscheinen sollte, würde ich der Gnade nicht verlustig gehen. Ich würde so lange bei ihm sitzen bleiben, bis er umfiele, und ihm von Masaccio oder der Vita Nuova erzählen. An einem jasmindufttollen Morgen wie diesem könnte ich ihm sogar aus Shakespeare vorlesen — aus den Sonetten, nicht den Dramen.
    Einen Urlaub nannte sie es. Das Wort war mir unangenehm. Sie hätte ebensogut coitus interruptus sagen können.
    (Darf nicht vergessen, mir die Adressen ihrer Verwandten in Wien und Rumänien zu besorgen.)
    Es gab jetzt nichts mehr, was mich hätte zu Hause halten können. Der Roman war beendet, das Geld war auf der Bank, der Koffer war gepackt, die Pässe waren in Ordnung, der Engel der Barmherzigkeit bewachte das Grab. Und die wilden Hengste Gogols flogen noch immer wie der Wind.
    Führe mich, o freundliches Licht!
    «Warum gehst du nicht ins Variete?» sagte sie, als ich auf die Tür zuschritt.
    «Das werde ich möglicherweise tun», erwiderte ich. «Brüte nur keine Eier aus, bis ich wiederkomme.»
    Ich hatte das Verlangen, mich von Reb zu verabschieden. Es konnte das letzte Mal sein, daß ich seinen gräßlichen Laden betrat. (Und so war es auch.) Als ich an dem Zeitungsstand an der Ecke vorbeikam, kaufte ich eine Zeitung und warf ein Fünfzigcentstück in die Schale. Das sollte eine Wiedergutmachung für die Fünf- oder Zehncentstücke sein, die ich dem blinden Zeitungsverkäufer in Borough Hall geklaut hatte. Ich fühlte mich dadurch moralisch erleichtert, obschon ich das Geld in die falsche Schale gelegt hatte.
    Reb war im Hintergrund des Ladens und fegte. «Ja, wer kommt denn da?» rief er.
    «Ein herrlicher Morgen, was? Haben Sie keine Lust auszubrechen?»
    «Was haben Sie vor?» fragte er und stellte den Besen beiseite.
    «Keine Ahnung, Reb. Wollte nur mal reinschauen.»
    «Möchten Sie ein bißchen in die Gegend fahren?»
    «Gern, wenn Sie ein Tandem hätten oder ein paar schnelle Pferde. Nein, heute nicht. Heute ist ein Tag zum Gehen, nicht zum Fahren.» Ich zog meine

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