Nexus
fällt wild und dicht, schwarz wie Ebenholz. Die Schauspielerin aus den Karpaten und der Wiener Mansardenwohnung. Wie Venus dem Flachland Brooklyns entstiegen.
Wuff! Wuff wuff! Wuff! Wuff!
Ich schreie, aber für alle Welt klingt es wie ein Geflüster.
Ich heiße Isaac Staub. Ich bin in Dantes fünftem Himmel. Wie Strindberg in seinem Delirium wiederhole ich: «Was macht es, ob man der einzige ist oder noch einen Nebenbuhler hat? Was will das besagen?»
Warum fallen mir plötzlich diese sonderbaren Namen ein? Alles Klassenkameraden von der lieben alten Alma mater: Morton Schnadig, William Marvin, Israel Siegel, Bernard Pistner, Louis Schneider, Clarence Donohue, William Overend, John Kurtz, Pat McCaffrey, William Korb, Arthur Convissar, Sally Liebowitz, Frances Glanty. Keiner von ihnen hat bisher den Kopf gehoben. Aus dem Hauptbuch gestrichen. Unschädlich gemacht wie Schlangengezücht.
«Seid ihr da, Kameraden?»
Keine Antwort.
Bist du's, lieber August, der da im Dunkeln den Kopf hebt? Ja, es ist Strindberg, der Strindberg, dem zwei Hörner auf der Stirn sprossen. Le cocu magnifique .
In glücklicheren Zeiten - wann? Wie lange liegen sie zurück? Auf welchem Planeten war es ? - ging ich von Wand zu Wand, um diesen oder jenen zu begrüßen, alles alte Freunde: Leon Bakst, Whistler, Lovis Corinth, Breughel den Älteren, Botticelli, Bosch, Giotto, Cimabue, Piero della Francesca, Grünewald, Holbein, Lucas Cranach, Van Gogh, Utrillo, Gauguin, Piranesi, Utamaro, Hokusai, Hiroshige - und die Klagemauer. Auch Goya und Turner. Jeder hatte etwas Kostbares mitzuteilen. Aber besonders Tilla Durieux, sie mit den beredten, sinnlichen Lippen, dunkel wie Rosenblätter.
Die Wände sind jetzt kahl. Selbst wenn sie mit Meisterwerken behangen wären, würde ich keines erkennen. Es ist alles in Dunkel gehüllt. Wie Balzac lebe ich mit Bildern, die nur in meiner Vorstellung existieren. Selbst die Rahmen sind erdacht.
Isaac Staub - von Staub bist du genommen und sollst wieder zu Staub werden. Füge ein Kodizill hinzu, altem Brauch zuliebe.
Anastasia, alias Hogoroboru, alias Bertha Filigran vom Tahoe-Titicaca-See und dem Zarenhof ist zur Beobachtung ihres Geisteszustandes vorübergehend im Irrenhaus. Sie ging aus eigenem, freiem Entschluß dorthin, um herauszufinden, ob sie noch richtig bei Sinnen sei oder nicht. Saul bellt in seinem Delirium, im Glauben, er sei Isaac Staub. Wir sind eingeschneit — in einem Schlafzimmer im Erdgeschoß mit einem eigenen Waschbecken für jeden und einem Doppelbett. Ab und zu blitzt es. Graf Bruga, dieses entzückende Püppchen, ruht auf der Kommode, umgeben von javanischen und tibetanischen Götzenbildern. Er hat den bösen, lüsternen Seitenblick eines Verrückten, der eine Schale Methylalkohol austrinkt. Auf seiner Perücke aus roten Fäden sitzt ein von der Galerie Dufayel importierter winziger Hut à la Bohème. Mit dem Rücken lehnt er sich gegen ein paar auserlesene Bände, die Stasia bei uns deponiert hat, bevor sie ins Irrenhaus ging. Von links nach rechts lauten ihre Titel:
The Imperial Orgy — The Vatican Swindle - A Season in Hell -Death in Venice - Anathema — A Hero of our Time - The Tragic Sense of Life — The Devil's Dictionary - November Boughs - Beyond the Pleasure Principle - Lysistrata - Marius ihe Epicurean - The Golden Ass - Jude the Obscure - The Mysterious Stranger - Peter Whiffle — The Little Flowers — Virginibus Puerisque - Queen Mab - The Great God Pan - The Travels of Marco Polo — Songs of Bilitis — The Unknown Life of Jesus — Tristram Shandy - The Crock of Gold -Black Bryony - The Root and the Flower .
Nur eine einzige Lücke: Rozanovs Metaphysics of Sex .
In ihrer eigenen Handschrift (auf einem Streifen Einwickelpapier) finde ich die folgende Notiz, offenbar ein Zitat, aus einem der Bände: «Dieser sonderbare Denker, N. Federov, ein echter Russe, wird seine eigene, staatsfeindliche Form des Anarchismus begründen.»
Wenn ich diesen Zettel Kronski zeigte, würde er sofort zum Irrenhaus laufen und ihn als Beweis vorzeigen. Als Beweis für was? Als Beweis dafür, daß Stasia ihre fünf Sinne beisammen hat.
War das gestern? Ja, gestern um vier Uhr in der Frühe ging ich zur U-Bahn-Station, um nach Mona Ausschau zu halten. Und siehe da, wen erblicke ich? Mona und ihren Freund Jim Driscoll, den Ringkämpfer, wie sie gemächlich durch das Schneetreiben stapfen. Wenn man sie so sah, hätte man glauben können, sie suchten auf einer goldenen Wiese nach
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