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Nibelungen 01 - Der Rabengott

Nibelungen 01 - Der Rabengott

Titel: Nibelungen 01 - Der Rabengott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Art sogar heiteres Mädchen, das sich – vielleicht aufgrund der Vorurteile anderer – freiwillig in ein Gefängnis der Stille und Weltflucht zurückgezogen hatte. Hagen nahm sich insgeheim vor, ihr bei der Befreiung aus diesen Fesseln zu helfen – falls sie seine Hilfe annehmen wollte.
    Es dämmerte bereits, als sie beschlossen, zur Burg zurückzukehren. Malena schien ein wenig erschrocken, als ihr klar wurde, wie spät es bereits war, und Hagen hatte ein schlechtes Gewissen; er hatte den heraufdämmernden Abend sehr wohl bemerkt, jedoch nichts gesagt, um das Zusammensein mit Malena so lange wie möglich auszudehnen.
    »Werden deine Eltern wütend sein?« fragte er.
    »Mutter nicht«, erwiderte Malena und hieb ihrem Pferd die Fersen in die Flanken, »aber bei Vater kann man nie sicher sein.«
    Das hatte Hagen befürchtet, und es machte ihn bange. Bislang war er von Otberts Zorn verschont geblieben, doch er hatte von anderen gehört – vor allem von den Stalljungen –, daß die Wutausbrüche des Grafen das Ausmaß von Unwettern annehmen konnten. Wer sich nicht schnell genug in Sicherheit brachte, den trafen sie mit schrecklicher Gewalt.
    Da sagte Malena: »Du brauchst keine Angst zu haben. Ich werde sagen, wir hätten uns verirrt. Ich bin so selten hier draußen, daß mir jeder glauben wird, wenn ich behaupte, ich hätte mich nicht mehr an den rechten Weg erinnert.«
    »Ich habe keine Angst«, empörte sich Hagen.
    »Natürlich nicht.«
    »Glaubst du mir nicht?«
    »Oh, sicher doch. Du hast bestimmt keine Angst.«
    Er wußte, daß sie ihn ärgern wollte, und sogar daran erfreute er sich. Wer hätte gedacht, daß Malena ihm einmal solche Aufmerksamkeit entgegenbringen würde?
    Als sie den Hügelkamm erreichten, von dem aus sie die Burg sehen konnten, war es beinahe dunkel geworden. Die laue Wärme des Tages wich, und die Kälte der Nacht kroch aus ihren Verstecken hervor.
    »Es wird windig«, sagte Malena und raffte ihren Mantel enger um den zerbrechlichen Leib.
    Hagen nickte zustimmend. In Wahrheit aber schien es ihm, als sei der Wind nicht ganz so plötzlich aufgekommen, wie Malena glaubte – vielmehr vermeinte er, der Wind habe vor ihnen auf sie gewartet. Schon von weitem hatte er gesehen, wie sich rund um die Burg die Baumkronen beugten, lange bevor Malena und er etwas davon zu spüren bekamen.
    Malena war mit einemmal beunruhigt. »Was ist da los?« fragte sie verunsichert und deutete voraus zur Festung.
    Finster hob sich das Gemäuer vom Abendrot ab. In keinem der Fenster brannte Licht, als hätte der Wind alle Fackeln ausgeblasen.
    Malena wollte ihr Pferd erneut zum Galopp antreiben, doch Hagen stellte sich ihr in den Weg. »Laß mich vorausreiten«, sagte er und gab sich Mühe, seinen Zügen Entschlossenheit zu verleihen.
    »Warum?« Ihre Stimme war eine Spur zu schrill. Ein Anflug von Panik schwang darin mit, in ihren roten Augen glomm ein zorniger Funke. »Weshalb sollte das nötig sein?«
    Hagen verkniff sich eine Erklärung und sagte noch einmal: »Laß mich erst nachsehen. Bitte, Malena, warte hier auf mich.«
    Ihr Pferd tänzelte, als es von der Unruhe seiner Herrin angesteckt wurde. Plötzlich trat Malena dem Tier in die Seiten, so daß es einen gewaltigen Satz nach vorne machte. Hagen konnte sein eigenes Pferd gerade noch zur Seite reißen, da sprengte Malena auch schon an ihm vorüber. Mit wehendem Kleid und flatterndem Umhang raste sie den Hügel hinunter, durch die Weinberge und auf die Burg ihrer Väter zu.
    Hagen brüllte ihr hinterher, sie möge stehenbleiben, dann trieb er fluchend sein Tier zum Galopp. Im Abstand von zehn Mannslängen jagte er hinter ihr den Weg hinab, umwabert vom Rot der Abenddämmerung.
    Als sie die Kluft rund um die Burg fast erreicht hatten, da war es Hagen, als höre er zum ersten Mal seit langer Zeit wieder das Flüstern der Strömung, tief unten aus dem Tal herauf. Sie klang nicht länger verspielt oder höhnisch. Jetzt loderte eine Wut in ihr, die verzehrender war, als jede, die ein Mensch hätte fühlen können.
    Da wußte Hagen, daß er Malena verlieren würde, wenn er sie nicht vor der Zugbrücke aufhielt.
    Gellend rief er ihren Namen, doch sie dachte gar nicht daran, ihr Pferd zum Stehen zu bringen. Die Hufe wirbelten Schmutzfontänen auf, Schweif und Mähne wehten genauso wie Malenas weißblondes Haar. Noch zwanzig Schritte, dann war sie an der Kluft. Die Zugbrücke war heruntergelassen und unbewacht. Das hohe Tor dahinter klaffte schwarz wie ein schreiender

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