Nibelungen 03 - Die Flammenfrau
kann. Gestern, vor Rabans Geburt, habe ich gesungen, und Ihr habt Euch das Blut an einem anderen Ort geholt, weil ich zu schwach war, Euch das meinige zu geben. Aber ich habe gesungen!« Sie schaute kurz auf das Kind in ihrem Arm. »Ich habe Euch gestern um Hilfe gebeten, damit dieses Kind auf die Welt konnte. Aber diesmal, Pyros, war ich nicht diejenige, die Euch rief. Wer außer mir hat den Zauber gesprochen, der Euch zum Mann macht?«
»Nun, habt Ihr geglaubt, Ihr wäret die einzige Frau, die dazu geschaffen wurde, mir zu dienen?«
Lursa schaute den Magier an. Alles an ihm war ihr so vertraut, daß es schmerzte. Wie gerne wäre sie einfach in seine Arme gefallen, hätte ausgelöscht, was seit gestern zwischen ihnen stand. Ihn nicht berühren zu dürfen war wie eine Folter. Er war trotz dieser Nähe so kühl, so weit fort, als würde ihm ihre Hingabe nichts mehr bedeuten. Er sah sie nicht einmal an, sondern ließ seine Blicke durch den Raum schweifen.
»Wißt Ihr noch in diesem Raum…« Er schaute an den grauen Kristallen auf und ab. »Hier bin ich Euch zum ersten Mal begegnet. Damals wart Ihr ausersehen, die Hüterin des Feuers zu werden, und ich war ein Magier, der Eure Schönheit begehrte, Euren Mut, Eure Kraft…« Er schaute auf. »Eure Lust!« fügte er leise hinzu.
Lursa fühlte, wie ihr ein Schauer über den Körper lief. Warum fing er jetzt damit an? Natürlich erinnerte sie sich an jenen Tag, als er zu ihr in diesen Raum gekommen war. Ihre Mutter war gestorben. So hatte es nichts gegeben, was ihn gehindert hätte, zu ihr zu kommen. Es hatte ihr gefallen, daß er mutig genug war, sie im Raum des Lichtes aufzusuchen. Auch wenn damals ebenfalls keine Kerzen brannten. Pyros mußte doch wissen, daß er sie mit diesen Erinnerungen verletzte. Sie hatte ihm schon damals, vom ersten Augenblick an, da er den Raum betrat, ganz gehört. Mit Leib und Seele war sie ihm verfallen, noch ehe sie dreimal mit ihm dieselbe Luft geatmet hatte.
Niemals hatte sie daran gezweifelt, daß es eines Tages anders sein könnte. Der warme Ausdruck seiner Augen, der sanfte Klang seiner Stimme, sein Lächeln, seine Zärtlichkeiten, dies alles gehörte ihr und nicht einer anderen.
»Warum habt Ihr mir das angetan? Warum gerade Antana?«
Er zuckte mit den Schultern und lächelte. »Warum? Vielleicht weil sie das hat, was mir fehlt? Ich weiß nicht, sie ist so anders.«
»Dafür zerstört Ihr mich?«
»Verwechselt Ihr da nicht etwas? Ihr habt Antana zerstören wollen!«
»Und unser Kind? Ihr hattet es ihr gegeben.«
Pyros lachte. »Harmlosigkeit steht Euch vortrefflich, Priesterin. Dieser Knabe ist ein Kind der Magie, falls Ihr das vergessen habt. Er ist ein Kind der Macht. Erinnert Euch an Euren Schwur. Ihr wolltet dieses Kind, um Eure Schwester und ihre Tochter zu töten.«
»Ja, das wollte ich, und ich wollte Euch!«
»Davon habe ich heute morgen nicht viel bemerkt. Wo war Eure Hingabe? Ihr habt Euch aufgeführt wie eine gewöhnliche Frau, die nicht mehr Herrin ihrer Gefühle ist!« Er trat noch einen Schritt näher. »Und die vergessen hat, wer ihr Meister ist!«
Lursa riß sich mit der Linken das Gewand von der Brust und zeigte auf die Narbe. »Ist das vielleicht nur Fleischeslust, oder ist es nicht auch Hingabe an den Meister?« zischte sie.
Pyros lächelte. »Fleischeslust ist ein vortrefflicher Ausdruck dafür. Ich gratuliere Euch.«
Lursa riß die Augen auf. Mit einer solchen Kälte war Pyros ihr nie zuvor begegnet. Wo war der sanfte, zärtliche Magier, der in ihren Augen zu lesen vermochte? Sie schaute ihn voller Verzweiflung an. Er hatte ihr einen Sohn geschenkt und die Heilerin geholt, um ihr Leben zu retten, nicht um sie damit zu zerstören.
»Warum geschieht das alles, Pyros?«
»Warum stellt Ihr immerzu solche albernen Fragen? Ihr müßtet doch am besten wissen, daß man stets das bekommt, was man gibt.«
»Wie meint Ihr das?«
»Jeden Schwur und jeden Zauber bekommt man zurück. Habe ich etwa vergessen, Euch das beizubringen, als ich Euch in der Magie unterwies?«
Lursa wandte den Blick ab. »Antana lebt, nicht wahr? Sie ist es, die Euch zurückgerufen hat.«
»Nein, da irrt Ihr Euch. Sie hätte nicht einmal das Lied gekannt, um den Zauber zu bewirken, und außerdem war sie tot, Lursa.« Er nahm ihr Kinn und zwang sie, ihm in die Augen zu sehen. Ein dunkles Glimmen überschattete seinen Blick. »Ich mußte diese Gestalt annehmen, um Antana retten zu können.«
»Aber wie? Dort unten zwischen den
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