Rolf Torring 099 - Das Piratenschiff
1. Kapitel
Die Briefe eines eigenartigen Mannes
Von Manipur waren wir mit der Eisenbahn über Mandalay nach Rangoon gefahren; von dort wollten wir unsere Reise mit dem Dampfer fortsetzen. Rolf war seit der Abreise aus Manipur sehr schweigsam gewesen. Irgendetwas mußte ihn beschäftigen.
Ihn danach zu fragen, hätte wenig Zweck gehabt. Ich kannte Rolf und wußte, daß er von selbst reden würde, wenn es an der Zeit war.
Meist unterhielt ich mich mit Balling, der das gleiche Ziel hatte wie wir: Sumatra.
In Rangoon entwickelte Rolf eine eifrige Tätigkeit. Er war meist den ganzen Tag allein unterwegs, ohne uns zu sagen, was er vorhatte. Ich ärgerte mich im stillen darüber und machte schließlich Balling einige Andeutungen darüber, daß Rolf sicher über eine nicht einfache Sache grüble und Dinge vorbereite, über die er nicht einmal mit mir sprechen wolle.
In Rangoon hatten wir drei Zimmer in einem einfachen Gasthaus belegt und saßen jetzt, am späten Nachmittag eines heißen Tages, auf unserem kleinen Balkon. Pongo war in seinem Zimmer; Rolf hatte schon am Morgen das Hotel verlassen.
„Wie ich Ihnen schon sagte, Herr Balling, Rolf wird von selbst über die Dinge, die er jetzt treibt, reden, wenn er sie weit genug vorangetrieben hat."
„Und Sie haben keine Ahnung, Herr Warren, worum es dabei geht?"
„Da kommt Rolf übrigens! Er scheint große Eile zu haben. Vielleicht erfahren wir jetzt etwas."
Mit sehr eiligen Schritten überquerte Rolf den kleinen Platz, an dem das Gasthaus lag. Wenige Minuten später betrat er das Zimmer, begrüßte uns kurz und suchte sofort Pongo auf.
Gespannt warteten wir auf seine Rückkehr. Endlich trat er zu uns auf den Balkon und sagte laut:
„Eine drückende Hitze heute, nicht wahr? Kommt ins Zimmer, da ist es kühler. In drei Tagen verlassen wir Rangoon."
Wir erhoben uns, ohne große Eile an den Tag zu legen. Ich erwiderte laut:
„So bald schon, Rolf? Ich hoffte, wir würden wenigstens acht Tage hier bleiben."
Rolf sagte nichts mehr. Als wir im Zimmer waren, schloß er die Balkontür und sagte leise:
„Jetzt kann ich endlich reden. Heute habe ich eine ganze Menge erfahren, wenn auch längst noch nicht alles. Ich danke dir, Hans, daß du bisher nicht gefragt hast, was ich treibe. In einer Stunde fährt die Motorjacht ab. Bis dahin müßt ihr euch mit meinem Bericht noch gedulden. Wir müssen uns beeilen, um sie zu erreichen, aber, bitte, ganz vorsichtig sein! Niemand soll etwas davon merken."
„Was ist denn los, Herr Torring?" fragte Balling. "„Ich habe eine Motorjacht gemietet, Herr Balling, die uns nach Singapore bringt. In einer Stunde ist sie ausreisebereit. Ich habe absichtlich die Zeit gewählt. In zwanzig Minuten etwa wird es dunkel. Niemand soll uns beobachten, wenn wir auslaufen."
„Und die Hafenpolizei?" fragte ich.
„All right! Auf der Jacht sind nur noch drei Matrosen und der Besitzer, ein Herr Malgren. Ich erzähle euch später alles ausführlich. Jetzt drängt die Zeit."
„Also ein neues Abenteuer!" Der rundliche Balling verzog das Gesicht zu dem verlegenen Lächeln, das er immer bei passenden und unpassenden Gelegenheiten zeigte. Es gehörte zu seinem Wesen wie die Angewohnheit, ehe er die Pistole abschoß, sie einen kleinen Salto in der Luft schlagen zu lassen.
Balling verließ das Zimmer, um seine Sachen zusammenzupacken. Wir brauchten nicht viel zu tun, denn unser Gepäck war klein.
Pongo sollte als erster das Hotel verlassen. Rolf hatte ihm schon Bescheid gesagt.
Als es dunkel geworden war, ging Rolf hinunter, um die Rechnung zu begleichen. Er erzählte dem Wirt, daß wir einen Tag wegblieben, aber bestimmt übermorgen wiederkommen würden. Einzeln verließen wir dann das Hotel und begaben uns zu Malgren, der am Hafen ein kleines Haus bewohnte.
Seine Motorjacht, „Eagle" getauft, war ein schmuckes Boot und ziemlich geräumig. Es hatte Vorder- und Hinter-, also Bug- und Heckkajüte und wurde durch zwei Dieselmotoren von je 200 PS getrieben. Damit mußte es eine bedeutende Geschwindigkeit entwickeln können. Ursprünglich war das Boot als Polizeikutter gebaut worden. Malgren war Bootsbauer und besaß außerdem zwei Schiffe, die er vermietete und oft auf weite Reisen schickte.
Er empfing uns in seinem Arbeitszimmer. Als Rolf uns vorgestellt hatte, wollte er uns einige
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