Nibelungen 03 - Die Flammenfrau
daß irgendeine Teufelin Euer Pferd tötet?«
»Sie wird Ihrer Strafe nicht entgehen.«
»Wer sollte diese Teufelin strafen, wenn nicht wir? Mir scheint, dieses Weib da vorn«, er deutete auf Luovana, »hat Euch verzaubert.«
»Habt Geduld, junger Freund. Alles zu seiner Zeit!«
Luovana schwang sich auf den Rücken ihrer Stute und sah, wie der Ritter sich niederkniete und von seinem toten Pferd Abschied nahm. Er strich ihm sanft über die Nüstern, über die schmale Blesse bis hinauf zu den Ohren. Nur sehr langsam richtete er sich wieder auf.
Diese Zärtlichkeit für ein Tier rührte Luovana. Der Ritter war anders als die fremden Männer, die sonst aus dem Süden hier heraufkamen. Seine Trauer verlieh ihm etwas Empfindsames und Zartes. In ihr erwachte der Wunsch, ihm die dunklen Schatten von der Seele zu nehmen und ihn lachen zu sehen. Sie überlegte, wie sein Gesicht wohl aussah, wenn er glücklich war.
Luovana warf einen Blick auf Faramund. Sein trotziges Antlitz verriet, daß er wohl noch nicht lange die Würden eines Ritters trug. Jedes Gefühl, das ihn beherrschte, ließ sich mühelos an seinen Augen ablesen, er hatte sich selbst noch zu wenig unter Kontrolle. Faramund wäre ein leichtes Opfer für Lursa; es würde sie bei ihren Fähigkeiten nicht einmal eine Anstrengung kosten, ihn der Göttin zu opfern.
»Ihr könnt mit mir gemeinsam auf Aysar reiten«, sagte Luovana leise zu Bruno und reichte ihm die Hand.
Sie ritten weiter in die Berge, bis sie zu der dampfenden Quelle kamen. Dort hielt Luovana die Stute an und sprang auf den Boden. Sie nahm Lursas Pfeil, den sie in ihren Köcher gesteckt hatte, und wandte sich an den Ritter.
»Wartet hier, es wird nicht lange dauern.«
Sie trat nahe zu der heißen Quelle. Warm und feucht strich der aufsteigende Rauch über ihre Haut. Luovana hielt den vergifteten Pfeil genau so, daß der Dampf ihn einhüllte.
Sie überlegte einen Augenblick, dann flüsterte sie langsam den Vers der Reinigung. Die Worte der alten Sprache waren schwer, und sie bemühte sich, keinen Fehler zu machen, damit die Göttin sich ihrer annahm. Mit dem letzten Wort ließ sie den Pfeil in das brodelnde Wasser fallen und trat rasch einen Schritt zurück. Roter Schaum bildete sich am Rand der Quelle, und laut zischend fuhr ein heißer Wasserstrahl in die Höhe. Faramunds Brauner scheute.
»Keine Angst«, sagte Luovana, »es geschieht Euch nichts.« Sie fühlte, daß der ältere Ritter sie aufmerksam beobachtete, und lächelte. »Der Pfeil ist vernichtet, er wird niemanden mehr verletzten.« Sie warf noch einen Blick auf die Quelle. Das Wasser hatte wieder seine ursprüngliche Farbe, der Rauch war wieder weiß. Sie trat zu ihrer Stute. »Ich kann Euch Euer Pferd nicht zurückgeben, aber der Segen der Göttin wird von nun an mit Euch sein. Ich habe sie um Schutz gebeten.«
Bruno nickte und reichte ihr nun seinerseits die Hand. Luovana nahm sie und schwang sich wieder auf Aysar. »Wir reiten jetzt zur Wasserhöhle«, sagte sie und schaute zum Himmel empor. Sie hatten nicht mehr viel Zeit.
Bruno fühlte sich nicht besonders wohl. Er saß hinter Luovana auf der grauen Stute und meinte, diesem schmalen Tier mit einem einzigen Druck seiner Schenkel die Rippen brechen zu können. Wie mächtig und majestätisch hatte dagegen sein Fuchs gewirkt. Er schaute sich um. Durch einen kantigen Riß in der Höhlendecke fielen nur spärliche Lichtreste in die Grotte, die sie schon vor einer Weile betreten hatten. Die Luft war feucht und ein wenig kühler als draußen zwischen den warmen Felsen. Ein leises Geräusch von fließendem Wasser hüllte Bruno ein, es schien von überall zu dringen. Plötzlich machte die Stute einen kleinen Sprung, und Bruno sah, daß sie nun auf einem nassen Holzsteg stand, der gerade breit genug für einen einzelnen Reiter war und der wie ein Pfad durch diese Höhle führte.
»Dieser Steg ist wie eine Brücke, die nicht der Breite nach, sondern der Länge nach über einen Fluß gebaut ist«, erklärte Luovana. »Er wurde angelegt, damit die Pferde nicht durch das Wasser laufen müssen.«
»Es gibt also einen Fluß, der durch die Höhle führt?«
Luovana nickte. »So könnte man es sagen.«
Bruno sah, daß links und rechts neben ihm steile, glatte Wände emporragten, an denen unaufhörlich Wasser herunterrann. Hinter ihnen ritt Faramund, der leise vor sich hinfluchte.
»Ist dies der einzige Weg, um zu dieser Burg zu gelangen?« Bruno hielt sich an Luovana fest, denn die
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