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Nibelungen 05 - Das Runenschwert

Titel: Nibelungen 05 - Das Runenschwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Kastner
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mitnehmen. Ich werde es Eurer Mutter überreichen und ihr sagen, sie soll besser darauf achten, womit ihr Kind spielt.«
    Der Gedanke, das Runenschwert zu verlieren, machte Siegfried rasend. Sein rechter Fuß trat gegen Harkos Schwert und hätte dem Friesen fast die Klinge aus der Hand gerissen. Siegfried sprang auf, versetzte dem überraschten Gegner einen Stoß und rannte über die Wiese zu seiner Waffe. Als er seine Hände um den Griff legte, fühlte er, wie das Runenschwert Macht über ihn gewann. Der Wunsch, den Friesen zu besiegen, wurde so übermächtig wie Siegfrieds Verlangen nach Rache für den toten Vater. Er riß die Klinge aus dem Erdreich und wandte sich um. Harko hielt seine Waffe in beiden Händen und schien zu zögern, ob er angreifen oder Siegfrieds Attacke abwarten sollte. Als er den Stahl in den Händen des Xanteners sah, hob er sein Schwert und stürmte vor. Geschickt wich Siegfried dem Schlag des Friesen mit einem Sprung zur Seite aus, wirbelte herum und schlug selbst zu.
    Harko konnte sein Schwert noch zur Abwehr hochreißen, aber es zerbarst unter dem niederfahrenden Runenstahl. Siegfrieds Klinge durchschnitt Harkos Schwert, Harkos Arm und dann Harkos Kehle. Der Friese fiel erst, als sein Haupt schon längst am Boden lag.
    Ungläubig starrte Siegfried auf den abgeschlagenen Kopf. Er wehrte sich gegen die Erkenntnis, diese Tat verübt zu haben. Er hatte dem Friesen doch nur eine Lektion erteilen, aber ihn nicht töten wollen! Am Runenschwert klebte Harkos Blut. Als er das sah, rammte Siegfried die Klinge schnell in den Boden.
    Nachher konnte Siegfried nicht mehr sagen, wie lange er so über dem zerstückelten Leichnam stand. Kampfeswut und Rachedurst waren erloschen und unendlicher Trauer gewichen. Noch immer wollte er das Unbegreifliche nicht wahrhaben.
    Vielleicht hätte er bis in die Nacht dort gestanden, wären nicht sieben Reiter auf der Lichtung erschienen, friesische Ritter, angeführt von Markgraf Onno. Ihre Gesichter waren finster und feindseliger als ein Gewittersturm.
    Als Siegfried sie bemerkte, war sein erster Impuls, nach dem Schwert zu greifen und es der Friesenbrut zu zeigen. Dann sah er wieder auf Harkos Leichnam und ließ es bleiben. Er hatte das Gefühl, Strafe verdient zu haben.
    Aber Onno griff ihn nicht an, bestrafte ihn nicht. Er redete, doch seine Worte blieben nur verschwommen in Siegfrieds Erinnerung. Onno hatte von der geheimnisvollen Verabredung im Wald gehört, er hatte einen Hinterhalt vermutet und war dem Prinzen mit einer Handvoll Ritter gefolgt. Und zu spät gekommen, wie der narbengesichtige Markgraf bitter feststellte.
    »Jetzt ist alles dahin, wofür sich die weisesten Köpfe unserer beiden Reiche lange eingesetzt haben«, sagte er leise. »König Hariolf wird keinen Frieden schließen, ganz im Gegenteil!«
    Mit diesen düsteren Worten ritten die Friesen zurück nach Xanten, brachten den toten Harko zu seinem Vater und zu seiner Schwester.
    Siegfried blieb zurück, allein mit seiner Schuld und dem blutbefleckten Runenschwert.

Kapitel 10  
    m schlimmsten war, daß Amke ihn nur stumm anstarrte. Hätte sie ihren Blick ganz von Siegfried abgewendet oder hätte sie ihm, schreiend oder weinend, Vorwürfe gemacht, hätte er es wohl einfacher ertragen.
    Siegfried hatte nicht mit ihr gesprochen; er hätte auch kaum gewußt, was er hätte sagen sollen. Wie sollte er Amke erklären, was er getan hatte, wenn er es selbst nicht verstand!
    Dann wieder, besonders in Augenblicken, wenn er seine Hand auf das Schwert legte, sagte er sich, daß Harko sein Schicksal herausgefordert hatte. Dieser eitle Königssohn hatte wegen seiner beleidigenden Reden eine Bestrafung verdient! Und hatte Harko sein Schwert nicht zuerst gegen Siegfried gerichtet?
    Hin- und hergerissen zwischen widerstreitenden Gefühlen stand Siegfried auf einem Wehrturm der Xantener Burg und sah zu, wie die Friesen zum Hafen zogen. Im Gegensatz zu ihrer Ankunft war es eine stumme, traurige Prozession, ohne Fanfarenklang und wehende Fahnen. Der Leib des toten Prinzen war mit einem großen Tuch bedeckt, der friesischen Königsflagge: Ein schwarzer Wolf mit goldener Krone sprang auf rotem Feld.
    Viele Betrachter mochten beim Anblick des Wappens an die Rückkehr der Friesen denken, nicht als Gäste, sondern als bis an die Zähne bewaffnete, mordende, brandschatzende Rächer. So hatte es König Hariolf an diesem Morgen verkündet, nachdem er die ganze Nacht am aufgebahrten Leichnam seines einzigen Sohnes gewacht

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