Nibelungen 05 - Das Runenschwert
Zwischen jeweils zweien stand ein Fackelträger, an dessen Flamme die Schützen immer neue Brandpfeile entzündeten, um sie einen Augenaufschlag später von den Sehnen schnellen zu lassen. Das schrille, dünne Pfeifen, wenn die Flammenpfeile die Luft durchschnitten, klang wie teuflisches Gekicher.
Panische Schreie drangen auf Amke ein: »Eine Falle, ein Überfall!« – »Schneller, an der Feste vorbei, schneller!« – »An die Riemen, wendet das Schiff!« Amke sah, daß das Feuer immer mehr Schiffe manövrierunfähig machte. Wurden die Steuerer von den Flammenpfeilen oder vom brennenden Segeltuch getroffen, gerieten die Schiffe außer Kontrolle und kamen zu dicht ans Ufer oder an den Felsen im Fluß. Die Riemen, die nicht schnell genug eingezogen wurden, zersplitterten wie dünne Äste im Sturmwind. Das Rudergeschirr brach auseinander. Voller Panik sprangen die Männer über Bord, um schwimmend das nahe Land zu erreichen.
Die Schiffsführer riefen ihre Männer zur Ordnung. Sie sollten die aufgelaufenen oder hilflos im Strom treibenden Schiffe durch den Einsatz von Staken wieder flottmachen. Oft kamen alle Bemühungen zu spät, war das Feuer schneller als die verzweifelten Männer. Oder nachfolgende Schiffe, die in den engen Fahrrinnen nicht abdrehen konnten und auf die anderen prallten. Dann bohrte sich Holz auf Holz, verbogen und zersprangen die Planken, fand das willige Feuer neue Nahrung.
Als König Hariolf seine brennende Flotte sah, stieß er einen Wutschrei aus, mehr Wolfsgeheul als menschlicher Laut. Er lief zum Schiffsführer, einem Mann namens Ulerk, und befahl ihm, sofort zu wenden. »Ich muß zu meinen Männern!«
»Nein!« fuhr Markgraf Onno dazwischen, bevor Ulerk den Befehl des Königs weitergeben konnte. »Wir bleiben auf Kurs. Die Männer sollen sich in die Riemen legen!«
»Wie könnt Ihr wagen, meinen Befehl zu widerrufen, Markgraf?« tobte der König. »Ich muß zu meinen Männern. Sie stecken in einer tödlichen Falle. Wir können sie nicht im Stich lassen, nur weil wir den Brandpfeilen durch Gottes Fügung entgangen sind!«
»Nicht durch die Fügung Gottes, sondern durch die der verräterischen Niederländer!« erwiderte Onno und streckte den Arm aus. »Dort kommen sie, um Euch zu holen, mein König. Und wenn sie Euch haben, haben sie auch Friesland in der Hand!«
Hariolf entdeckte ein halbes Dutzend Schiffe auf Gegenkurs. Sie hatten keine Segel gesetzt, nicht einmal Masten waren zu sehen. Die Rojer pullten aus Leibeskräften und trieben die Schiffe gegen die Strömung voran. Auf den Schiffen drängten sich die Bewaffneten. Speere, Schwerter und Schilde blinkten selbst im schwachen Licht dieses trüben Tages. Die niederländischen Schiffe hielten in zwei Reihen auf Hariolfs Schiff zu.
»Wir müssen so schnell wie möglich sein und die Kraft unserer Rojer mit der des Windes und der Strömung vereinen!« stieß Onno laut hervor. »Nur dann können wir die feindlichen Reihen durchbrechen.«
»Aber meine Männer…« versuchte der König mit matter Stimme zu erwidern.
»Wir können ihnen nicht helfen«, sagte der Markgraf hart. »Wir können sie nur rächen. Aber dazu müssen wir aus diesem feigen Hinterhalt entkommen!«
Hariolf sah es ein und nickte widerstrebend.
»Ulerk.« Onno wandte sich an den Schiffsführer. »Alle Männer an die Riemen. Sie sollen um ihr Leben pullen.«
Onno und Ulerk riefen die Männer zusammen, die sich über Reling und Heck beugten und machtlos zusahen, wie die anderen Schiffe ihrer Flotte unter dem Hagel aus Feuerpfeilen verglühten.
Die Friesenschiffe, die weiter flußaufwärts schwammen, noch im sicheren Abstand zur Rheinfeste, wurden von niederländischen Schiffen angegriffen. Und an den Ufern waren Berittene und Fußsoldaten aufmarschiert, um an Land flüchtende Friesen festzusetzen oder niederzumetzeln.
Die Rojer des Königsschiffes sprangen auf ihre Bänke und schoben die Riemen durch die kleinen Löcher in den Bordwänden. Kaum war das geschehen, zählte Ulerk schon einen schnellen Takt, und die Riemenblätter schlugen ins Wasser.
Hariolf, Onno und die Wachen griffen zu den Waffen, während die Zofen Amke unter Deck brachten, in den engen dunklen Verschlag, der streng nach Teer und Holz roch. Und nach Tod. Amke lag gleich neben der Bahre mit ihrem toten Bruder.
»Das ist doch Reinhold von Glander!« schrie Onno, als er den Mann mit den ergrauenden Haaren erkannte, der am Bug des größten niederländischen Schiffes stand und immer wieder kurze
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