Nibelungen 05 - Das Runenschwert
Mundwinkel griesgrämig herab. Die immer ein wenig trüb blickenden Augen sahen den Xantener hart, ja haßerfüllt an.
Siegfried ärgerte sich, daß der Friese ihn bei seinen Übungen störte. Und noch mehr über Harkos offene Herablassung, die er sich vielleicht gegenüber einem Bauern oder einem Knecht erlauben konnte, aber nicht gegenüber dem zukünftigen König der Niederlande.
Daher antwortete Siegfried in scharfem Ton: »Ob ich Bären jage oder nicht, geht Euch nichts an, Harko. Ich weiß auch nicht, was Ihr hier zu suchen habt!«
Deutlicher konnte er dem Friesen kaum sagen, daß er unerwünscht war. Aber Harko traf keine Anstalten, die Lichtung zu verlassen. Vielmehr lehnte er sich zu Siegfried vor, stützte den Ellbogen auf den versilberten Sattelknauf und erklärte: »Gehören solch dreiste Reden zu Eurer Art der Gastfreundschaft?«
»Ihr mögt Gast meiner Mutter sein, der meine seid Ihr bestimmt nicht!«
»Weshalb habt Ihr mich herbestellt, wenn Euch meine Gesellschaft nicht behagt?«
»Ich habe Euch herbestellt?« Siegfried lachte trocken. »Da müßt Ihr schlecht geträumt haben!«
»Treibt keine Späße mit mir!« zischte Harko zornig. »Ich bin nicht über zwei Stunden geritten, um mich zum Narren halten zu lassen. Euer Bote sagte, ich solle sofort aufbrechen, um Euch hier zu treffen. Hätte er mich nicht hergebracht, hätte ich die Lichtung gar nicht gefunden.«
»Ich habe Euch niemals einen Boten gesandt, Harko. Aus welchem Grund auch?«
»Um ein Gespräch unter vier Augen mit mir zu führen, wie Euer Bote mir mitteilte. Ich hätte ihn nicht kurz vor dieser Lichtung davonreiten lassen, hätte ich gewußt, daß Ihr den Narren spielt. Er hätte Euch der Lüge überführt.« Harkos dünne Brauen zuckten vor Ungeduld. »Also, redet, Niederländer!«
»Ich habe Euch nicht herbestellt«, erwiderte Siegfried brüsk.
Mit deutlich vernehmbarem Geräusch zog Harko die Luft ein. »Das also ist Eure kindische Art, sich auf Kosten anderer einen Spaß zu erlauben. Mag sein, daß in wenigen Tagen Eure Schwertleite stattfindet, Siegfried, gleichwohl solltet Ihr keinen tödlichen Stahl in Händen halten, sondern besser ein Schwert aus Holz. Regiert kein Land, sondern baut lieber Burgen aus Sand und schlagt Schlachten mit Rittern aus Ton!«
Die Beleidigungen verwandelten Siegfrieds unterschwellig brodelnde Wut in kochenden, überschäumenden Zorn. Der Prinz von Xanten mußte sich so etwas nicht anhören, von niemandem! Schon gar nicht von einem Friesen, einem Prinzen des Volkes, das Siegfrieds Vater auf dem Gewissen hatte.
Harko richtete sich im Sattel auf und wendete schon den Mausfalben, da rammte Siegfried die Klinge des Runenschwertes in den Boden und stürmte los. Er bekam den Friesen an der Schulter zu fassen. Harko stieß einen erstickten Schrei aus. Ebenso überrascht wie sein Reiter war der Mausfalbe. Er bockte und warf Harko samt Siegfried auf die blumengesprenkelte Wiese.
Während das Pferd bis zum Waldrand lief, um aus sicherem Abstand zu den beiden unberechenbaren Menschen herüberzuschauen, wälzten sich die beiden Kontrahenten durch Gräser, Kräuter und Blumen. Wieder gewann der Xantener die Oberhand, und seine Fäuste rissen die kaum verheilten Wunden in Harkos Gesicht wieder auf. Das Blut des Friesen färbte Siegfrieds Hände rot. Doch der Friese gab sich nicht so schnell geschlagen. Er bekam einen Stein zu fassen, der irgendwo auf dem Boden lag, und schlug zu. Siegfried spürte einen furchtbaren, stechenden Schmerz. Er versuchte gegen die Schwärze anzukämpfen, die ihn zu übermannen drohte.
Als er aus seiner leichten Ohnmacht erwachte, spürte Siegfried einen Druck an seinem Hals. Dicht unter seinen Augen glitzerte gefährlicher Stahl. Schwer atmend und mit blutverschmiertem Antlitz stand Harko über ihm und drückte die Spitze seines Schwertes gegen Siegfrieds Hals. So fest, daß ein dünner Blutfaden unter das Hemd des Xanteners rann.
»Ihr könnt Euch prügeln wie ein Bauer, das habt Ihr zweimal bewiesen«, schnaubte Harko, während Blut aus seiner Nase tropfte. »Aber mit dem Schwert könnt Ihr wohl nur gegen Geister kämpfen, Ritter Siegfried!«
Siegfried, der noch im Gras lag, sah zum Runenschwert, das zehn Schritte entfernt im Boden steckte.
»Ich habe mein Schwert nicht zur Hand, sonst würde ich Euch das Gegenteil beweisen.«
»Es ist unehrenhaft für einen Ritter, sich mit einem Jungen zu schlagen. Damit Ihr nicht noch mehr Unheil anrichtet, werde ich Euer Schwert
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