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Nibelungen 05 - Das Runenschwert

Titel: Nibelungen 05 - Das Runenschwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Kastner
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deutete er zu einem der großen Fenster, in denen seltenes, teures Glas saß.
    »Hariolf hatte seine Rache schon beschworen, bevor er Xanten verließ«, erinnerte Reinhold. »Jetzt haben wir zumindest eine Geisel in der Hand. Außerdem haben die Friesen so viele Schiffe verloren, daß sie kaum einen Angriff auf dem Rhein wagen werden.«
    »Dann werden sie über Land kommen«, brummte Severin. »Wo ist der Unterschied?«
    »Im Schiffskampf sind die Friesen erfahrener als wir«, erklärte der Kriegsherr. »Auf dem Land haben wir gute Aussichten, sie zu schlagen.«
    In der Versammlung begann ein heftiger Streit über die Frage zu entbrennen, ob Reinhold recht gehandelt hatte. Einige forderten seine Absetzung als Kriegsherr, andere schlugen sich auf seine Seite.
    Sieglind stand auf, woraufhin alle Anwesenden verstummten. Sie rief mit fester Stimme: »Ich habe Graf Reinhold zum Kriegsherrn der Niederlande ernannt. Er hat mit König Siegmund gefochten und genoß sein bedingungsloses Vertrauen. Deshalb habe ich meinen Sohn Siegfried in seine Zucht gegeben, und deshalb weiß ich, daß er der beste Mann ist, die Friesengefahr von uns abzuwenden.«
    Damit war es entschieden, und plötzlich fanden alle, daß es die richtige Entscheidung war. Nur Severin murmelte unwillig vor sich hin, während er seinen massigen Körper auf den von einem Diener aufgerichteten Stuhl zurücksinken ließ.
    »Wo haltet Ihr Amke gefangen?« fragte Siegfried, der sich durch die Rede seiner Mutter ein wenig beruhigt hatte.
    »Hier in der Burg«, antwortete Reinhold. »In der Kemenate, die sie bis heute morgen als Gast bewohnt hat.« Er sagte es ohne jedes erkennbares Gefühl und fuhr mit langem Blick auf seinen Schützling fort: »Es wird für sie gesorgt, aber sie steht unter strenger Bewachung.«
    Siegfried hielt dem Blick stand und erklärte: »Ich möchte zu ihr.«
    »Nein«, lehnte Reinhold ab. »Sie darf nur mit den Dienern verkehren.«
    »Warum?« fragte Siegfried.
    »Ich muß meine Befehle nicht begründen!« versetzte Reinhold scharf.
    Sieglind lächelte ihren Kriegsherrn an. »Eurer Königin gegenüber würdet Ihr sie aber gewiß erklären, nicht wahr, Graf Reinhold?«
    »Gewiß«, sagte Reinhold. »Ich will verhindern, daß Prinzessin Amke zuviel von unseren Plänen erfährt. Falls wir sie gegen ein anderes Pfand an die Friesen zurückgeben, könnte uns alles, was sie aufgeschnappt hat, in große Schwierigkeiten bringen.«
    »Ich bin kein Verräter!« rief Siegfried voller Zorn.
    »Das habe ich auch nicht behauptet. Aber du stehst der Prinzessin nahe, wie man wohl sagen darf. Du könntest unabsichtlich etwas ausplaudern.« Reinholds Blick glitt von Siegfried zur Königin. »Außerdem wüßte ich im Augenblick nicht, was für einen Vorteil uns ein Besuch Siegfrieds bei der Gefangenen bringen könnte.«
    »Ihr habt recht«, erklärte Sieglind nach kurzem Nachdenken und wandte sich an ihren Sohn. »Siegfried, du wirst Amke nicht sehen, bis Reinhold es dir gestattet. In allen Fragen, die den bevorstehenden Kampf gegen die Friesen betreffen, ist seinen Anordnungen unbedingt Gehorsam zu leisten!«
    Der letzte Satz betraf nicht Siegfried allein, sondern die ganze Versammlung.
    Siegfried fühlte sich wie vor den Kopf geschlagen. Die Worte seiner Mutter empfand er als Verrat; sie vertraute Reinhold mehr als ihrem eigenen Fleisch und Blut! Und auch von Reinhold war er enttäuscht. Der Mann, der fast eines Vaters Stelle bei Siegfried eingenommen hatte, war ihm auf einmal fremd. Es mußte der Krieg sein, der Reinhold so veränderte. Schlimmer als alles andere aber wog die Erkenntnis, Amke als Gefangene zu wissen. Er konnte an nichts anderes mehr denken, konnte der Diskussion der Edelleute über die Kriegsvorbereitungen nicht folgen und bat seine Mutter, sich auf seine Kammer zurückziehen zu dürfen.
    Im halbdunklen Gang vor dem Festsaal blieb er stehen, preßte die pochende Stirn gegen die wohltuend kühle Steinmauer und dachte nach. Er mußte mit Amke sprechen, möglichst rasch, um ihr zu erklären, daß er nichts von dem Überfall auf die Friesenflotte gewußt hatte. Und daß er Harkos Tod nicht gewollt hatte, nicht wirklich, nur in diesem einen, verhängnisvollen Augenblick seiner Raserei.
    Aber noch war es zu früh. Zu viele Menschen waren noch auf den Beinen, und zu aufmerksam waren die Wächter. Er würde es spät in der Nacht versuchen, wenn auch gute Soldaten müde wurden. Mit diesem halbwegs beruhigenden Gedanken zog er sich auf seine Kammer

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