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Nibelungen 05 - Das Runenschwert

Titel: Nibelungen 05 - Das Runenschwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Kastner
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Kinn gezogen hatte, daß nur die Augen zu sehen waren.
    »Das müßte ich auch«, kicherte der Wachhabende. »Hab’ dort eine hübsche Maid, die Tochter eines Korbflechters. Die wird zwischen ihren drallen Schenkeln feucht wie’n Wasserfall, wenn sie einen Mann nur vor’m Haus vorbeigeh’n hört, was?« Er blickte seine Kameraden an, und sie fielen in sein Gekicher ein. Der Wachhabende räusperte sich und fuhr fort: »Aber ich kann leider nicht weg. Wachverstärkung, wegen dieser fischfressenden Friesenbande, die uns den Krieg erklärt hat. Höchste Aufmerksamkeit hat Graf Reinhold geboten. Und die wird Euch jetzt zuteil, Euer Merkwürden. Also nennt Euren Namen und zeigt Euer Gesicht, oder seid Ihr gar ein friesischer Spion?«
    »Wohl kaum«, erwiderte leise der Vermummte und ließ den Umhang so weit fallen, daß sein Gesicht zu sehen war.
    Sofort verschwand der spöttische Ausdruck aus dem unrasierten Gesicht des Wachhabenden. Er bemühte sich um eine stramme Haltung, wäre dabei fast gestürzt und konnte gerade noch von einem Kameraden aufgefangen werden. Der unerwartete körperliche Einsatz führte bei dem Wachhabenden zu einem lauten, langen Rülpser, der stark nach gewürztem Met roch.
    »Prinz Siegfried!« stieß der Mann überrascht hervor. »Was tut Ihr hier zu so später Stunde?«
    »Wie ich gerade sagte, ich will in die Stadt.«
    »Ich… ich weiß nicht, ob… ich das gestatten kann«, stammelte der Hagere.
    »Wieso nicht?« fragte Siegfried streng. »Seit wann bedarf der Sohn der Königin der Erlaubnis einfacher Wachen, wenn er seine Burg verlassen will?«
    Der Wachhabende rieb verlegen sein spitzes Kinn. »Vielleicht, seitdem wir Krieg mit den Friesen haben. Ich sollte wohl besser Graf Reinhold fragen.«
    »Graf Reinhold schläft und will nicht gestört werden«, erwiderte Siegfried. »Es war ein anstrengender Tag für ihn. Man vernichtet nicht jeden Tag eine feindliche Flotte.«
    »Nein, gewiß nicht«, meinte der Hagere in dem leutseligen Ton, in dem auch der Prinz von Xanten zuletzt gesprochen hatte.
    »Die ganze Stadt hat gefeiert. Ihr wohl auch, wie?«
    »Was meint Ihr, Herr?« fragte der Wachhabende.
    »Na, den Met, den ihr intus habt. Riecht ja, als würde das für eine ganze Armee reichen.«
    »Ja, ich habe ein wenig getrunken«, ging der Hagere auf Siegfrieds vertraulich klingende Worte ein. »Das haben ja alle heute.«
    Siegfried nickte verständnisvoll, aber dann erklärte er mit schneidender Stimme, ganz wie ein Befehlshaber: »Nur haben heute nicht alle Wache! Ihr wißt doch, daß es verboten ist, betrunken Wache zu stehen, oder?«
    »J-ja.«
    »Und ihr kennt auch die Strafe, die darauf steht?«
    »Die… Stäupe«, kam die zögerliche Antwort. »Fünfzig Schläge auf den nackten Rücken.«
    »Das gilt nur in Friedenszeiten«, erwiderte Siegfried und lächelte den Hageren maliziös an. »Im Kriegsfall sind es hundert Schläge, in besonders schweren Fällen auch nur einer: mit dem Richtschwert auf den Nacken. Ich finde schon, daß es sich bei der Wache an der Königsburg um einen besonders schweren Fall handelt. Ihr nicht, Soldat?«
    »Ich…« Der Mann schwitzte plötzlich und wischte mit dem Handrücken über seine Stirn. »Prinz Siegfried, ich wollte nicht… Ich meine, es war nicht meine Absicht…« Er schien nicht mehr in der Lage, einen zusammenhängenden Satz hervorzubringen. Dicke Schweißperlen traten auf seine Stirn.
    »Ich schlage Euch eine Abmachung vor, Soldat. Ihr laßt mich passieren und vergeßt, daß ich hiergewesen bin. Zu niemandem ein Wort, versteht Ihr? Das gilt auch für Eure Kameraden. Dann vergesse ich, in welchem Zustand ich Euch angetroffen habe.«
    Der Wachhabende brauchte nicht zu überlegen. Er nickte dankbar. Auch die anderen beiden Wächter schienen einverstanden. Längst lungerten sie nicht mehr herum, sondern standen aufrecht vor ihrem Prinzen, bemüht, ein würdevolles soldatisches Bild abzugeben.
    Siegfried beachtete sie nicht weiter und schritt über die schmale Zugbrücke. Erst als er den tiefen Wassergraben überquert hatte und in das Häusergewirr der Stadt eintauchte, blieb er stehen, lehnte sich gegen eine Wand und wischte mit der Kapuze den Schweiß aus seinem Gesicht. Zum Glück hatte der Wachhabende in seiner Angst nicht bemerkt, daß Siegfried kaum weniger aufgeregt gewesen war als er. Er gönnte sich nur eine kurze Pause. Der »Blaue Schwan« lag im Südhafen. Er mußte sich beeilen, wenn er um Mitternacht dort sein wollte. Je näher er dem

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