Nibelungen 07 - Das Zauberband
könne Ihr Leben hier verbringen. Es war eine verlockende Vorstellung. Sie betrachtete den Mann. Der Craiach besaß die Gabe, seine Worte so geschickt zu setzen, daß, gleichgültig, was er auch erzählte, es niemals langweilig klang. Wenn seine Arme sie umfingen, wie vorhin beim Tanz, so war es ein schönes, warmes Gefühl. In seiner Nähe war sie geborgen, und das Leid hatte ein Ende. Brunhild hob den Kopf und blickte noch einmal zu den Sternen, dann wandte sie sich ihm wieder zu.
»Ich muß gehen.« sagte sie fest. »Solange die Wölfin lebt, werde ich entweder kämpfen oder sterben, aber aufgeben werde ich nicht!«
»Aber Ihr habt gestern aufgegeben, Priesterin!«
»Ich weiß, doch die Göttin hat mir durch Euch ein Zeichen gegeben, daß Aufgeben nicht der Weg ist. Sie hat mich überleben lassen und mir gezeigt, wofür es sich zu kämpfen lohnt!«
»Und wofür lohnt es sich zu kämpfen?« Die Stimme des Craiach klang ein wenig amüsiert.
»Für ein Leben voller Glück und Schönheit, so wie Ihr es hier habt«, sagte Brunhild.
Der Mann vor ihr lachte leise. »Hüterin des Feuers«, sagte er übertrieben feierlich, »Ihr seid die einzig lebende Priesterin der weißen Göttin. Was also wollt Ihr tun? Die Wölfin mit ihren eigenen Waffen schlagen und sie beißen?«
»Ihr spottet!« Brunhild wandte sich ab.
»Nein!« Der Waldkönig hob einen Finger unter ihr Kinn und drehte ihren Kopf sanft zurück, so daß sie ihn anschauen mußte. »Nein, ich spotte nicht. Ich frage Euch ehrlich, was Ihr tun wollt.«
»Das weiß ich noch nicht«, sagte Brunhild. Ihre Hände glitten zu dem Gürtel, und wie von selbst legten sich ihre Finger fest darum. »Es wird einen Weg geben, die Wölfin zu besiegen! Die Göttin wird ihn mir zeigen.«
»Oft ist der Weg einfacher, als man es sich vorstellt. Doch gestern schon habt Ihr nicht mehr an einen Sieg geglaubt, denn Ihr wißt, daß die schwarze Priesterin mit Raban längst weiter auf die Flammenburg zureitet. Daß sie, wenn sie die Burg erreicht hat, kaum noch zu besiegen ist, denn sie hat den Rubin, und jeder ihrer Zauber wird damit nur stärker. Sie wird in der Flammenburg herrschen, die für Euch von den Menschen erbaut wurde, die auf eine gute und weise Hüterin hofften. Ihr werdet es nicht mehr verhindern können!«
»Woher wißt Ihr das?«
Der Craiach berührte mit seiner Hand sanft ihre Wange. »Von den Zweifeln in Eurem Herzen, edle Frau. Ihr fürchtet Euch zu sehr! Befragt meinetwegen die Flammen, wenn Ihr mir nicht glaubt.«
»Wenn Ihr in meinem Herzen wirklich zu lesen vermögt, dann wißt Ihr auch, daß ich niemals bleiben könnte«, sagte Brunhild.
»Ihr wollt aber auch nicht gehen!«
»Bin ich Eure Gefangene?« Brunhild trat einen Schritt zurück und blickte den Mann mißtrauisch an.
»Nein.« Der Craiach lachte wieder. »Ihr könnt gehen, wann immer es Euch beliebt.«
»Ich wollte schon heute morgen gehen.«
»Heute morgen, Hüterin, war nur Euer Geist bereit zu gehen, der arg von Eurem Gewissen geplagt wurde, nicht aber Euer Herz. Es verlangte Euch nicht nach Kampf, sondern nach Schönheit, und die habt Ihr heute in meinem Garten und beim Ball erlebt.«
Er kam einen Schritt näher und berührte zärtlich ihr Haar. »Selbst jetzt, nachdem Ihr das alles genossen habt, will Euer Herz nicht wirklich fort. Denn Ihr habt Angst!«
»Vielleicht habt Ihr recht, doch ich muß dennoch sofort gehen«, sagte Brunhild leise. Sie fühlte, wie ihr Herz schneller schlug. Die warme Hand des Mannes berührte sanft ihre Wangen.
»Sofort!« sagte sie.
Mühsam löste sie sich von seinen Zärtlichkeiten und ging ein paar Schritte in den Garten. »Ich danke Euch, Craiach, für den schönen Tag. Ich habe vieles gelernt.«
Schweigend kam der Waldkönig ihr nach. »Ihr seid tapfer«, sagte er nach einer Weile. »Ich denke, die alte Ramee tat recht damit, Euch zur Hüterin zu weihen! Begleitet mich zu den Ställen. Dort werden wir für Euch und Euren Begleiter zwei Pferde finden, die Euch sicher zur Flammenburg tragen werden.« Er deutete eine Verbeugung an, drehte sich um und schritt den Gartenweg entlang.
Brunhild sah ihm nach. Dann lief sie los und hielt ihn am Arm zurück. »Wartet«, sagte sie leise, als sie ihn erreichte.
Er drehte sich um. Ihre Hand glitt hinauf zu seiner Schulter. Vorsichtig ging sie noch einen Schritt näher. Ihr Blut rauschte durch ihre Adern, dann fühlte sie, wie seine Arme sie umfingen und wie er sie an sich zog. Sie fühlte, wie sein Herz an ihrer
Weitere Kostenlose Bücher