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Nibelungengold 02 - Das Drachenlied

Titel: Nibelungengold 02 - Das Drachenlied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander (Kai Meyer) Nix
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Jahren.«
    »Lebst du wirklich allein im Wald?«
    »Du lebst doch auch allein im Berg.«
    »Aber du bist ein Kind.«
    Sie lachte hell auf. »Ein Kind? O nein, das bin ich längst nicht mehr.«
    »Du klingst sehr jung.«
    Sie schien es vorzuziehen, darauf nichts zu erwidern.
    Alberich fragte: »Wie ist dein Name?«
    »Ich habe ihn vergessen.«
    »Unsinn. Niemand vergißt seinen Namen, nicht einmal die ältesten unter den Zwergen.«
    »Und doch ist es so.«
    »Wie soll ich dich dann nennen?«
    Sie überlegte einen Moment, dann sagte sie: »So wie du mich immer genannt hast. Ruf mich Geist, und ich bin bei dir.«
    Er zuckte mit den Schultern. »Wenn das dein Wunsch ist.«
    Sie nickte. »Ich kenne keine anderen Namen. Nur Alberich, Mütterchen, Obbo – und Löwenzahn. Alle anderen, die im Wirtshaus gerufen wurden, habe ich vergessen. Ich vergesse sehr schnell, das macht die Krankheit.«
    Zweifelnd sah er sie einen Augenblick länger an und versuchte in ihren bildschönen blauen Augen zu lesen. Sie bemerkte es und wandte sich ab. »Komm jetzt, laß uns gehen«, sagte sie.
    Sie führte ihn eine Weile schweigend nach Norden und hielt sich dabei unmerklich links. Das Blätterdach des Waldes sperrte das Mondlicht aus, trotzdem fand Geist ohne Mühe den richtigen Weg. Alberich hatte das Gefühl, ihr trauen zu können. Sie mochte eine Menge wirres Zeug reden, doch zumindest was ihren Orientierungssinn anging, schien sie die Wahrheit gesagt zu haben.
    Nach einer Weile lichtete sich der Wald erneut, und sie kamen an eine steile Felskante. Tief, tief unter ihnen strömte der Rhein durch die Nacht. Der Schein des Mondes brach sich auf seinen schwarzen Wellen wie zahllose Silbermünzen. Ein scharfer Wind strich um die Felsen.
    Alberich mußte sich zu seiner Schande eingestehen, daß er seit seinem unvermittelten Schlaf im Wald tatsächlich in die falsche Richtung gelaufen war. War das auch der unheimlichen Melodie aus seinen Träumen zu verdanken? Hatte sie ihn zum Drachen führen wollen?
    Nein, rief er sich zur Ruhe, das ging zu weit. Natürlich, das Horn war magisch, daran bestand kein Zweifel, und die Melodie mochte eine Folge davon sein. Aber ihn zum Drachen führen? Unmöglich.
    Als wüßte sie genau, was in seinem Köpf vorging, sagte Geist plötzlich: »Das Horn bringt Unglück.«
    »Wie kommst du darauf?«
    »Ich habe gehört, wie du hineingestoßen hast. Mehrmals. Ich hatte große Schmerzen.«
    »Das tut mir leid.« Verflucht, was war los mit ihm? Zwerge baten nicht um Verzeihung, ganz bestimmt nicht bei rotznasigen Menschenmädchen, die sich verrückte Krankheiten ausdachten.
    Er folgte ihr schweigend an der Felskante entlang und betrachtete sie dabei von hinten. In ihren hellen Verbänden sah sie gleichzeitig filigran und albern aus. Noch dazu bot sie schon von weitem eine großartige Zielscheibe; selbst im Dunkeln war sie nicht zu übersehen. Die Binden lagen eng um ihren Leib. Darunter war sie schlank, fast knochig, und ihre Brust war so klein, das sie nahezu unsichtbar blieb – ganz anders als die der stämmigen Zwergenfrauen, wie Alberich sich nicht ohne Wehmut erinnerte. Aber die Tage, in denen ihm so etwas bedeutungsvoll erschienen waren, waren längst vom Dunst der Vergangenheit verhüllt. Nur selten in all den einsamen Jahren hatte Alberich sich nach Gesellschaft gesehnt, und noch viel seltener nach weiblicher.
    Gerade umrundeten sie einen pockennarbigen Findling, der scheinbar gewichtslos auf der Felskante balancierte, als Geist ihn unvermittelt zurückhielt. »Langsam«, warnte sie im Flüsterton. »Von der anderen Seite aus kannst du sie sehen – und sie dich, wenn du nicht achtgibst.«
    Vorsichtig pirschten sie soweit um den riesigen Stein herum, bis seine Rundung den Blick auf eine weite Heide freigab, die oberhalb einer scharfkantigen Klippe lag. Rückwärtig endete sie an einer aufstrebenden Felswand, in der eine pechschwarze Höhlenöffnung gähnte, flankiert von hohen Lindenbäumen – der Zugang zum Nest des Untiers.
    Kurz vor dem Rand der Klippe lag im Schein vieler Fackeln der Drache selbst, und sein Anblick übertraf Alberichs Erwartungen bei weitem. So groß! war alles, was er für eine Weile denken konnte, und immer wieder: so groß!
    In der Tat war die Bestie gewaltig. Ihr riesiger geschuppter Leib lag verdreht im verkohlten Heidekraut, halb auf der Seite, halb auf dem Rücken. Ihre mächtigen Pranken, jede so groß wie ein Pferd, hatten sich im Todeskampf verkrallt und mannstiefe Furchen in den

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